Berlin intern Das neue Doppelleben der Politiker

Wahlkreis, Partei, Regierungsjob – für Politiker ist Familie, was sonntags im Kalender frei bleibt. Manche steigen aus. Neu ist, dass Männer ihr Privatleben als Grund nennen.

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Presseball statt immer am Ball bleiben. Jörg Asmussen mit Henriette Peucker Quelle: dpa

Es gibt nur drei Sorten Spitzenpersonal in Berlin. Konservative, Liberale und Alternative – zumindest wenn es drum geht, wie sie Politikberuf und Privatleben vereinbaren. Schwer ist es allemal: Die meisten pendeln zwischen Wahlkreis und Hauptstadt. Sie drehen Extrarunden in der Partei, um sich abzusichern. Aufhorchen lässt, dass zwei Männer nicht mehr wollen wie bisher.

Nehmen wir an, ihre Argumente sind ernst gemeint und verschleiern keine anderen Motive. Der vorige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) zog sich aufs Mandat zurück. Er wolle mit seiner Freundin, einer Anwältin im Rheinland, eine Familie gründen. Pofalla hat zwei Scheidungen hinter sich. Jörg Asmussen (SPD), Direktor bei der Europäischen Zentralbank, lässt Frankfurt und viele Dienstreisen zurück für den Staatssekretärsposten im Bundesarbeitsministerium. Er verweist auf zwei kleine Töchter; Partnerin Henriette Peucker hat einen anspruchsvollen Job bei einer PR-Agentur.

Keine Angst mehr, schwach zu wirken

Bei Männern ist dieser Verzicht neu. Erstmals in Deutschland begründen sie ihn mit Sehnsucht nach der Familie. Ihre Angst schwindet, schwach zu wirken. Oft wollen auch beide Partner im Beruf etwas erreichen. Das geht kaum ohne Abstriche.

Pofalla und Asmussen sind Alternative. Sie schränken das Politische zugunsten des Privaten radikal ein. Zu ihnen gehört Eckart von Klaeden (CDU), der vom Kanzleramt als Lobbyist zu Daimler wechselte. Bei allen Querelen über politische Nähe zu seinem Arbeitgeber vor dem Wechsel gerät in Vergessenheit, dass auch er „familiäre Gründe“ nannte. Von Klaeden hat mit Frau Maren, einer Ärztin, drei Töchter. Interessant, dass ein Industriejob zwischen Stuttgart, Berlin und Brüssel stressfreier auf ihn wirkt.

Auch Ex-Familienministerin Kristina Schröder (CDU) ist nun einfache MdB und erwartet ihr zweites Kind. Hildegard Müller verabschiedete sich einst als Staatsministerin im Kanzleramt und als Abgeordnete für Düsseldorf. Die Tochter in Berlin und der Partner in Heidelberg kamen zu kurz. Heute führt sie den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

Weit weg vom Wahlkreis

Anders die Liberalen – sie praktizieren das Prinzip „Leben und leben lassen“. Im Alltag ziehen sie das Private dem Politischen manchmal vor, scheuen sich aber, das publik zu machen. Sie wohnen mit ihrer Familie in Berlin. Seltener tauchen sie womöglich im Wahlkreis auf. Das geht leichter für Abgeordnete kleiner Parteien, die keinen Wahlkreis per Direktmandat betreuen.

Etliche Grüne, so auch Fraktionsvize Kerstin Andreae, leben mit Mann und Kindern in Berlin. Doch auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zählt dazu. Sein Wahlkreis liegt in Brandenburg an der Havel, er selbst wohnt in der Hauptstadt.

Zahlreicher sind die Konservativen. Sie ziehen das Private ins Politische, zeigen Fotos der Lieben und traditionelle Rollen. Die Familie wohnt im Wahlkreis. Mancher sagt stolz: „Meine Frau kümmert sich quasi allein erziehend um unsere vier Kinder.“

Es gibt auch aufgeklärte Konservative. Sie suchen den Imagegewinn als Familienmensch. SPD-Chef Sigmar Gabriel nahm 2012 eine Auszeit für Töchterchen Marie. Doch twitterte er, schrieb Thesenpapiere und gab Interviews samt Foto mit fremdem Kinderwagen. Ähnlich aktiv war Tübingens OB Boris Palmer (Grüne), der die Elternzeit für engagierte Einsätze gegen das Bahnprojekt S21 nutzte. Jüngst gab er bekannt, dass Partnerin Franziska Brantner (MdB) und er sich trotz Tochter getrennt haben: „500 Kilometer Entfernung, jeder mit einem 200-Prozent-Job – das ist zu viel.“

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