Berlin intern

Deutsche Bank? Too big to talk about

Gregor Peter Schmitz
Gregor Peter Schmitz Ehem. Leiter Hauptstadtbüro WirtschaftsWoche (Berlin)

Beim Finanzgipfel in Washington schweigen Schäuble und Co. zur Krise der Deutschen Bank – zu großes Risiko.

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Deshalb wächst die Sorge um Deutschlands größte Bank
Josef Ackermann, Angela Merkel Quelle: AP
Das Bild zeigt den damaligen Bankchef Rolf-E. Breuer nach der Verkündung der Bankers-Trust-Übernahme im Jahr 1998. Quelle: dpa Picture-Alliance
Lehman-Brothers-Mitarbeiter nach der Kündigung 2008 in London. Quelle: REUTERS
Die Folgen der Immobilienkrise Quelle: dpa
Schwaches KerngeschäftNach der Finanzkrise gab es zwei wesentliche Entwicklungen unter globalen Großbanken. Die in den USA beheimateten Institute (Bild: New Yorks Finanzdistrikt) – mit zwangsweiser Staatshilfe versorgt – konnten die Krise beschleunigt hinter sich lassen. Sie wuchsen gar zu neuer Größe. Die andere Gruppe stutzte das Investmentbanking, dass weniger lukrativ wurde und mit weniger Mitarbeitern zu leisten war – und fokussierte sich auf die hauseigene Vermögensverwaltung. Die Deutsche Bank suchte den Mittelweg aus eigener Kraft: keine Staatshilfe, kein großer Strategieschwenk. Die Folge: Dutzende Strafzahlungen etwa wegen Zinsmanipulationen schlugen ins Kontor, während gleichzeitig das Kerngeschäft litt. Quelle: dpa
Riskante Finanzierung Quelle: dpa
Wenig Reserven Quelle: dpa

So weit ist es also gekommen mit der Deutschen Bank: Schon die Aussage, wo sich ihr Vorstandsvorsitzender wann aufhält, gilt als brisante Information. Als Bankchef John Cryan am Rande des Jahrestreffens von IWF und Weltbank in Washington von Journalisten gefragt wurde, wie lange er denn in den USA bleibe, mochten weder er noch seine Mitarbeiter Auskunft geben. Offenbar fürchteten sie, schon dadurch verraten zu können, in welche Richtung sich die Verhandlungen zwischen der Bank und den US-Aufsichtsbehörden um eine mögliche Milliardenstrafe für Kreditzockereien entwickeln könne. Wie ausgeprägt bis albern die Aufregung um die Bank mittlerweile ist, offenbarten auch einige Journalisten. Sie stürzten sich aufgeregt auf eine kleine Kladde mit großen Zahlen zum „Credit Overview“ der Bank, die auf dem Tisch vor Cryan lag – wohl in der Hoffnung, daraus die Bilanz neu berechnen zu können. Dessen Kommunikationschef musste beruhigen, diese Zahlen seien alle längst öffentlich.

Verständlich ist die Mischung aus Panik und Panikmache ja: Wenn die Deutsche Bank Schnupfen hat, droht dem Standort Deutschland eine Lungenentzündung, derart strukturrelevant ist sie für dessen Funktionieren. Natürlich will die Politik davon offiziell auch beim Treffen in der US-Hauptstadt nichts wissen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verweigerte nicht nur selber jeden Kommentar (ganz anders als sein SPD-Kabinettskollege Sigmar Gabriel, der vorige Woche das Schlingern der Bank als gerechte Strafe für frühere Spekulationen darstellte). Schäuble wurde sogar ärgerlich, wenn jemand anders einen Kommentar wagte. „Es wird viel zu viel geredet“, knurrte er öffentlich. Auch dass sogar IWF-Chefin Christine Lagarde offen Zweifel am Geschäftsmodell Deutsche Bank äußerte, gefiel ihm gar nicht. Zur Strafe beharrte Schäuble stur darauf, die Bank sei in den Washingtoner Gesprächen gar kein Thema gewesen.

Der Wahrheit zugewandtere Teilnehmer gaben hingegen zu, drei Sorgen hätten jede Runde in Washington bestimmt: ein möglicher Wahlsieg von Donald Trump, der drohende Brexit – und: „Was ist los mit der Deutschen Bank?“. Für das Ansehen des Standortes Deutschland ist deren Krise eine Belastung, vergleichbar nur mit dem VW-Skandal im Vorjahr. Damals tat die Bundesregierung auch, als sei dieser kein größeres Problem. Aber hinter den Kulissen war die Panik greifbar, made in Germany könne in Mitleidenschaft gezogen werden.

Das sagten Experten zur drohenden US-Strafe für die Deutsche Bank (vor der Entscheidung)

Peinlich sind beide Skandale, weil es jeweils um Eigenschaften geht, die man von deutschen Kaufleuten nicht erwartet: Zockerei bis Betrug. Das macht aber auch jede Diskussion über ein mögliches Rettungspaket für die Deutsche Bank so brisant. Zum Teil hat Gabriel ja recht: Dadurch würde auch eine Bank belohnt, die bis zuletzt viele Milliarden an Boni und Dividende ausschüttete. Doch dass die deutsche Politik dem Untergang der systemrelevantesten Bank kaum tatenlos zusehen würde, darüber waren sich beim Gipfeltreffen der Weltfinanz auch fast alle einig. Genauso wie darüber, dass das große Schweigen der Politik die einzige Lösung sei. Für die Deutsche Bank muss man den Satz „too big to fail“ in diesen Tagen umdichten. Ihre Krise ist, zumindest für deutsche Politiker, „too big to talk about“ – eine viel zu große Sache, um überhaupt darüber zu reden.

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