
Persönlicher und zugleich brisanter hätte der Abend nicht beginnen können. Gastgeber Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), hält für den frischen Großvater ein kleines Präsent bereit, aber auch eine Mahnung: „Ihre Enkeltochter wird die Folgen Ihres politischen Handelns spüren.“
Der Opa in Ausbildung heißt Peer Steinbrück und schaut etwas gequält. Tochter Anna hat ihm das Problem der Generationengerechtigkeit in die Wiege gelegt. Schon ist man mitten in der Debatte über das Rentenpaket, das die Koalitionsfraktionen morgens geschnürt haben. Abends vertritt der frühere Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat auf Einladung der INSM und der WirtschaftsWoche „Steinbrücks Standpunkt“.
Die Pläne könnten gefährlich werden, gibt der Gast unumwunden zu. „Das Problem ist der Paketcharakter“, verweist Steinbrück etwas umständlich auf die Kostentreiber: Mütterrente, Rente mit 63, höhere Zahlungen bei Berufsunfähigkeit – macht 160 Milliarden Euro extra bis 2030. Was Union und SPD in ihren Wahlprogrammen aufgeschrieben hätten, sei kaum bezahlbar. „Die Addition der beiden Wunschzettel kann an der normativen Kraft des Faktischen scheitern“, sagt der Finanzexperte. Würde die Koalition auch noch die versprochene Lebensleistungsrente als Mindestausstattung für jeden Senior liefern, blieben nur drei Möglichkeiten: Beiträge rauf, Rentenniveau runter oder Bundeszuschuss höher, was Steuererhöhungen erforderte. Das käme aber erst „bestimmt nach 2017“. Da steht nämlich die nächste Bundestagswahl an, aber das sagt Steinbrück mit Rücksicht auf die Kollegen nicht.





Das Rentenpaket stärke die soziale Gerechtigkeit, begründet er seine Zustimmung. Ihn besorgen „die Fliehkräfte in unserer Gesellschaft“. Er wende sich „gegen ein vulgäres Verständnis von Marktwirtschaft“. Wer die Debatte über die Gerechtigkeitslücken im Rentenpaket „nicht hilfreich“ genannt habe, lässt WiWo-Chefredakteur Roland Tichy den Gast raten. „Das war bestimmt eine SPD-Politikerin“, mutmaßt der Genosse. „Es war Angela Merkel“, lautet die Lösung, und Steinbrück lacht: „Na, dann habe ich ja richtig gelegen.“
Dem Wirtschaftsflügel der Union haben die Koalitionsspitzen das Ja zum Paket noch etwas erleichtert. Mit der „Flexi-Rente“ können Arbeitnehmer über die Pensionierung hinaus angestellt werden – auf Zeit, auch mehrmals hintereinander. „Erstmals“ sei es gelungen, befristete Arbeitsverträge flexibler zu gestalten, freut sich Michael Fuchs, Unions-Fraktionsvize für Wirtschaft. Zudem zählen freiwillige Zahlungen als Selbstständiger nun wie Arbeitslosigkeit zu jenen 45 Beitragsjahren, die man für die Rente mit 63 braucht. Macht aber wieder 150 Millionen Euro pro Jahr.
Zwar nennen etliche Unions-Wirtschaftspolitiker das Rentenpaket „eine große Scheiße“ – aber stimmten dennoch zu. Der Osnabrücker CDU-MdB Mathias Middelberg kann dagegen dem verkorksten Gesetz sogar einen politischen Vorteil abgewinnen: „Ein gewisses Quantum an Nöl-Masse ist gar nicht schlecht“, frohlockt der Vorsitzende der niedersächsischen Landesgruppe der Union. „Das ist das Milchpulver, um die schwächelnde Zwergpartei FDP wieder aufzupäppeln.“
In dem kleinen Präsent für die Enkelin, sinniert Großvater Steinbrück beim Rausgehen, sei vielleicht Schokolade drin. „Die fress ich dann jetzt alleine.“ Recht hat der fürsorgliche Opa. Schokolade wäre nicht gesund fürs Baby – wenn auch längst nicht so schädlich wie das Rentenpaket.