
Manchmal ist es ehrlicher, gleich die Waffen zu strecken. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages tat es, als der grüne Parlamentarier Gerhard Schick darum bat, die Vorschläge des Bundesfinanzministeriums zur Vermeidung von unlauteren Steuergestaltungen zu bewerten. Man habe von der Materie keine Ahnung, ließen die Fachleute des Hohen Hauses zu Beginn ihrer 21-seitigen Antwort wissen. „Zur Identifikation von (zukünftigen) Steuergestaltungsmöglichkeiten“, erklärten sie wortreich, „sind nicht nur umfassende Kenntnisse im Investmentsteuer- und Kapitalmarktrecht erforderlich, sondern auch praktisches Erfahrungswissen...“ Soll wohl heißen: Würden die Wissenschaftler über derart wertvolles Spezialwissen verfügen, arbeiteten sie kaum noch im Parlament.
Trifft nun das Gleiche auch für die Beamten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zu, die mit dem Investmentsteuerreformgesetz genau diese Steuerschlupflöcher schließen sollen? Ihnen jedenfalls will keiner unterstellen, wissentlich an der Konstruktion der Steuertricks beteiligt gewesen zu sein, die es ermöglicht haben, Summen von 100 oder 200 Millionen Euro am Fiskus vorbeizuschleusen.
Genau darum geht es aber bei den sogenannten Cum-Cum-Deals; Konstrukten also, bei denen ausländische Investmentfonds ihre Steuerpflicht hierzulande umgehen, indem sie ihre Aktienpakete kurz vor dem Dividendenstichtag für wenige Tage an deutsche Statthalter veräußern. Schäubles Beamte jedenfalls kniffen nicht und erarbeiteten mehrere Maßnahmen, um solche Geschäfte künftig zu verhindern.





Wie aber schafften es jetzt die Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Dienstes, den Gesetzentwurf trotz eingestandener Unkenntnis auf immerhin 21 Seiten zu bewerten? Sie taten es im Stile mancher Doktoranden, indem sie zwei Handvoll Stellungnahmen von Fachleuten und Verbänden aus dem Internet herauskopierten (aber in Fußnoten als solche kenntlich machten!). Einen Kapitalmarktexperten zitieren sie mit den Worten: „Die generelle Anfälligkeit des Investmentsteuerrechts für Gestaltungen konnte nicht ausgeräumt werden.“
Der grüne Finanzexperte Schick lobte anschließend brav: „Trotz der beschränkten Mittel hat der Wissenschaftliche Dienst ein paar hilfreiche Informationen zusammengetragen.“ Hartnäckig will Schick mithilfe eines gerade eingerichteten Bundestags-Untersuchungsausschusses Licht ins Cum-Ex- und Cum-Cum-Dunkel bringen. Sämtliche Finanzminister seit Oskar Lafontaine und ihre Staatssekretäre sollen vor dem Ausschuss aussagen.
Über Dividendenstripping und andere steuerliche Schweinereien dürften aber auch sie herzlich wenig erzählen können. Für mehr Erhellung würden dagegen einige hoch spezialisierte Experten aus namhaften Kanzleien sorgen, die sich am Aufsetzen der oft mehrere 100 Seiten starken Konstrukte eine goldene Nase verdient haben. Doch diese Herren werden wohl einen Teufel tun ...
Das Hase-und-Igel-Spiel geht also weiter, trotz Gesetzesreform und Untersuchungsausschuss. Aber so sperrig die Materie auch sei, tröstet sich Grünen-Politiker Schick, es sei die Mühe wert. Denn würde es endlich gelingen, die Steuerlücken zu schließen, würde es unlautere Fiskaltrickser um Milliarden bringen.