
Landesgruppen gibt es viele im Deutschen Bundestag. In jeder Fraktion sind die Abgeordneten aus einem Bundesland so organisiert. Aber „die Landesgruppe“ war bisher allein auf die CSU-Parlamentarier gemünzt, die in der Doppelfraktion der schwarzen Schwesterparteien seit jeher eine Sonderrolle beanspruchen und genießen. Nun aber schicken sich die Roten von Rhein und Ruhr an, aus dem Schatten des weiß-blauen Traditionscorps zu treten. 52 nordrhein-westfälische Sozialdemokraten haben bei der vergangenen Bundestagswahl den Sprung ins Parlament geschafft.
Entsprechend stolz präsentiert der Landesgruppenvorsitzende Axel Schäfer auch jene 19 NRWler, die Funktionen in Regierung oder Fraktion ergattert haben, an der Spitze Bundestags-Vizepräsidentin Ulla Schmidt und Umweltministerin Barbara Hendricks. „Es gibt noch mehr Positionen, aber da hat das Blatt nicht gereicht“, trumpft der Mann aus Bochum auf. Der Anteil seiner Truppe an der Gesamtfraktion ist damit sogar noch höher als bei der Konkurrenz von der CSU. „Da sind wir stolz drauf!“





Wie die Bayern sehen sich die Genossen von Rhein und Ruhr als starke Interessenvertretung ihrer Region. Anders als die CSU wollen sie dies aber nicht in einem immer wieder aufbrechenden Gegensatz zur Heimatpartei bewerkstelligen. Während nämlich die Christsozialen oft die Bundesverantwortung spüren und es deshalb nicht zu toll mit dem rhetorischen Separatismus treiben wollen, setzt Schäfer auf engen Schulterschluss mit der Landtagsfraktion. 2009 kaum zum Landesgruppenvorsitzenden gewählt, stieg er in den Nachtzug nach Düsseldorf, um sich am nächsten Morgen bei der Landtagsfraktion vorzustellen.
Fachpolitiker setzen sich zusammen
Weil Schäfer in seiner Zeit als Europaabgeordneter erlebt hatte, wie die Verantwortung immer auf die nächste Ebene weitergeschoben wurde („Brüssel ist schuld“), wollte er lieber Problemlösung und Politik aus einem Guss. Bei jeder Sitzung der Landtagsfraktion sind nun drei MdBs dabei, damit „wir Woche für Woche erleben, wie sich die Diskussion entwickelt“, berichtet er. Liegen die Termine in Bund und Land parallel, reisen Mitarbeiter an. „Uns reicht es nicht, dass sich einmal im Jahr die Fraktionsvorstände treffen.“ Auch die Fachpolitiker setzen sich regelmäßig zusammen.
Als jüngsten Erfolg dieser politischen Zangenstrategie verweist der Vormann der NRWler auf die Flüchtlingspolitik und das Investitionsprogramm für die Kommunen. Von den fünf Milliarden Euro, die der Bund zusätzlich lockermacht, fließt überproportional viel in das größte Bundesland. „Seit einem Jahr haben wir auf Sigmar Gabriel eingeredet, einmal haben wir ihn sogar um 7.30 Uhr hier in die Mitte genommen.“ Jetzt fließt das Geld.
„Wir haben als NRW das Image: Wir stehen im Maschinenraum und malochen, und die anderen stehen auf dem Sonnendeck und winken.“ Das will Schäfer ändern. An der Heimatfront müsse sichtbar werden, was die Landesgruppe erreicht habe. Deshalb hatten die Genossen aus Nordrhein-Westfalen nun schon zum zweiten Mal Medienvertreter zum Umtrunk eingeladen.
Allerdings: Mit der bayrischen Polit-Folklore, die in der winterlichen Klausurtagung in Wildbad Kreuth gipfelt und mit dem traditionellen „weiß-blauen Stammtisch“, dem Treffen der oder des Landesgruppenvorsitzenden mit Journalisten, eine sitzungswöchentliche Neuauflage erlebt, können die Genossen noch nicht mithalten. Bei der CSU gibt’s halt doch immer mal wieder jenen Krach, der die Medien lockt.