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Berlin intern

Röttgen kommt, um zu gehen

Henning Krumrey Ehem. Redakteur

Norbert Röttgens Aufstiegsstrategie der kontrollierten Offensive ist umgeschlagen in unkontrollierte Defensive. Szenen einer Ikarus-Karriere.

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Auf der Durchreise: Für 60 Tage Wahlkampf genügt leichtes Gepäck.

Norbert Röttgen ist nicht bloß Umweltminister im Kabinett Merkel, er sieht sich auch als Vordenker und Klugsprecher, als Regierungsphilosoph und Zukunftspolitiker schlechthin. Denn die Zukunft liegt ihm am Herzen: die ökologische, die wirtschaftliche und vor allem – die eigene. Mit einem Wechsel nach Düsseldorf könnte sein Aufstieg Richtung Kanzleramt stocken. Statt als Spitzenkandidat für die Wahl in Nordrhein-Westfalen seinen Wechsel in die Landespolitik auch im Falle einer Niederlage klar anzukündigen, eiert der smarte Jurist deshalb rum, als wäre schon Ostern. „Allein durch die Debatte ist schon ein Stück der Wahl verloren“, urteilt ein erfahrener Landesvorsitzenden-Kollege.

Ministerpräsident oder Oppositionsführer - egal

Stets hat Röttgen jede Chance auf flotteres Fortkommen ergriffen. Als der Bundesverband der Deutschen Industrie 2006 einen Hauptgeschäftsführer suchte, unter- schrieb der CDU-Politiker, wollte aber sein Bundestagsmandat behalten. Als Verband wie Verbündete ihm klarmachten, dass nicht beides ginge, verzichtete er auf den hoch bezahlten Wirtschaftsjob. Nach der Wahl 2009 versuchte Röttgen als damals engster Mitarbeiter des Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder einen Putsch, um selbst Chef der Abgeordneten zu werden. Und als in der NRW-CDU 2010 der Vorsitz frei wurde, bewarb sich Röttgen eifrig – ließen sich so doch Macht und Einfluss erheblich steigern: Traditionell ist der Vormann des größten Landesverbandes auch Vize-Chef auf der Bundesbühne. Weil aber die Düsseldorfer Parteifreunde für eine „Landeslösung“ warben, gab der Karrieremann im fernen Berlin jenes fatale Versprechen: „Selbstverständlich“ sei es für ihn, „als Ministerpräsident oder Oppositionsführer zur Verfügung zu stehen“. Mit dem Bekenntnis gewann er die Urwahl.

Ohne Mandat ist Röttgen fein raus

Diese Landpartie würde Röttgen nun gern vermeiden. Und scheint nicht einmal Ministerpräsident werden zu wollen: Er kandidiert im einzigen Wahlkreis der Umgebung, der bei den letzten drei Landtagswahlen zweimal an die Sozis fiel. Den Norden der Stadt Bonn vertritt derzeit SPD- Mann Bernhard von Grünberg, Chef des Landesmieterbundes. Seit 42 Jahren hält er donnerstags seine kostenlose Sprechstunde zu Miet- und Ausländerrecht, insgesamt 32 Jahre sitzt er im Stadtrat, sieben Jahre im Landtag. 2010 erzielte er den größten Vorsprung der Erst- vor den Zweitstimmen.

Wie es in Nordrhein-Westfalen nach der Landtagsauflösung weitergeht

Dagegen ist der südliche Bonner Wahlkreis ebenso fest in CDU-Hand wie die vier Stimmreviere des Rhein-Sieg-Kreises. Dort gewannen die Schwarzen bei den vergangenen drei Wahlen mit bis zu 25 Prozentpunkten Vorsprung. Auffällig: Röttgen wurde im Rhein-Sieg-Kreis geboren, lebt heute noch dort, gewann vier Mal hintereinander das Bundestagsrevier Rhein-Sieg II sicher – und wechselt dennoch ins riskante Bonn. Könnte er als Nummer eins der CDU-Landesliste ins Düsseldorfer Parlament einrücken? Äußerst ungewiss.

2005 und 2010 hatte die CDU so viele Wahlkreise erobert, dass die Landesliste überhaupt nicht zog. Könnte also sein, dass Röttgen gar nicht am Rhein bleiben kann, selbst wenn die CDU die Regierung bilden dürfte. Denn laut Verfassung wählt der Landtag den Ministerpräsidenten „aus seiner Mitte“. Ohne Mandat ist er also leider, leider raus – fein raus. Dennoch könnte der Versuch,den Pfad ins Kanzleramt nicht durch Umwege übers Land zu verlängern, den Aufstieg des Ikarus in die Sonne stoppen. Nach dieser Volte müsste die CDU schon größte Personalnot haben, um ausgerechnet Röttgen als Kanzler zu präsentieren. Solide Arbeiter wie Thomas de Maizière können beruhigt sein.

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