
SPD trifft Wissenschaft – das findet für gewöhnlich bei der Friedrich-Ebert-Stiftung statt, in Parteitagsforen oder im Berliner Willy-Brandt-Haus. Am Dienstag lädt nicht der Parteivorsitzende, sondern der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zur großen Europakonferenz „Investitionen, Wachstum und Beschäftigung“ ein – aber die Liste der Referenten liest sich trotzdem wie ein Treffen der Sozialistischen Internationale. Die Hälfte der Teilnehmer gehört offiziell zum roten Club, eine Dunkelziffer ist nicht ausgeschlossen.
Starredner sind die beiden Gäste aus Brüssel: Der Sozialist Pierre Moscovici, der ehemalige französische Haushaltssünder, der nun als EU-Kommissar über Wirtschaft und Finanzen wachen soll. Und Frans Timmermans, Erster Vizepräsident der EU-Kommission und dort politisches Gegengewicht zum Chef Jean-Claude Juncker, der nominell zur konservativen Parteifamilie zählt. Timmermans ist niederländischer Sozialdemokrat.
Über die „Elemente einer europäischen Wachstumspolitik“ macht sich Jörg Asmussen Gedanken, der zwar früher auf Spitzenposten im Bundesfinanzministerium und im Direktorium der Europäischen Zentralbank saß, inzwischen aber Staatssekretär unter Arbeitsministerin Andrea Nahles ist. Deren Haus ist bisher weniger als Wachstumsmotor aufgefallen. In der selben Podiumsrunde vertritt Angelica Schwall-Düren, Europaministerin aus Düsseldorf, vielleicht die Seite der Bundesländer, auf jeden Fall aber die Position der SPD-geführten Landesregierung.





Selbst in der Runde der Wissenschaftler ist es den Organisatoren, den BMWi-Abteilungen für Wirtschaftspolitik und für Europa, gelungen, noch zwei Genossen unterzubringen. Henrik Enderlein, Professor für Politische Ökonomie an der Hertie School of Governance, erfüllt praktischerweise beide Kriterien. Und mit Jakob von Weizsäcker nimmt zwischen vier renommierten Hochschullehrern als einziger Politiker ein SPD-Europaabgeordneter Platz, immerhin ein Ökonom mit Erfahrungen bei der Weltbank und diversen Forschungsinstituten.
Die Abschlussrede darf Hubertus Heil halten, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, zuständig für Wirtschaft. Der wäre auch gern Minister geworden, aber leider standen mit Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und dem Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann gleich drei weitere Niedersachsen vor ihm auf der Besetzungsliste.
Die anderen Parteien kommen nur am Rande vor. Für den SPD-Wunschregierungspartner tritt der grüne Europapolitiker Manuel Sarrazin aus dem Bundestag auf. Der Zwangsregierungspartner ist sogar nur indirekt dabei: Statt eines Vertreters von CDU oder CSU sitzt Danuta Hübner in einem Podium, Europaabgeordnete aus Polen und Mitglied der bürgerlichen EVP-Fraktion. Als einziges Unternehmer-Feigenblatt ist DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben an Bord.
Einen Tag zuvor veranstaltet die Sozialdemokratie ganz offiziell einen eigenen Kongress. Im Willy-Brandt-Haus geht es um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP, und in der Tat: Dort liegt der Anteil der Redner mit rotem Parteibuch sogar noch über 50 Prozent. Der Bielefelder Völkerrechtsprofessor Franz C. Mayer ist auch da schon mit Gabriel im Einsatz, tritt am Dienstag gleich wieder auf.
„Unser Weg zu einem starken Europa“ lautet übrigens der zweite Teil des Konferenztitels im Bundeswirtschaftsministerium. Fragt sich nur: Wer ist „unser“?