Berlin intern

Schwarz-Gelb als kleineres Übel

Henning Krumrey Ehem. Redakteur

Die Wirtschaftsvertreter machen ihren Frieden mit der schwarz-gelben Regierung. Es ist halt alles relativ. Denn bei den Grünen sehen die Lobbyisten rot.

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Was haben sie ob der schwarz-gelben Koalition den Kopf geschüttelt, gemeckert und gek..., äh, gemotzt. Kaum eine Gruppe war derart enttäuscht über die bürgerliche Regierung wie die Wirtschaft, vorneweg die Berliner Statthalter von Dax-Unternehmen und Verbänden. Doch je näher der Wahltag rückt, desto milder schauen die Repräsentanten von Geschäft und Geld. Satte 74 Prozent finden die Leistung der Regierung gut oder sehr gut, ergab eine Umfrage unter Berliner Lobbyisten, durchgeführt von der Kommunikations- und Einflussagentur MSL Germany. Vor zwei Jahren, zur Halbzeit der Legislaturperiode, sagten das erst 34 Prozent.

Es ist nur eine kleine Gruppe, aber eine mächtige. Die Erhebung ist daher nicht repräsentativ, aber instruktiv. Denn die Public-Affairs-Manager, so heißen die Firmen- Einflüsterer in Neudeutsch, sind auch Multiplikatoren ins eigene Haus – bis hin zu jenen Entscheidern, die Parteispenden freigeben.

Dabei gibt es etliche Themen, bei denen Wirtschaftsvertreter unzufrieden mit der Regierung sind. 81 Prozent geben der Energiepolitik die Note „schlecht“ oder „sehr schlecht“. 58 Prozent klagen über die Steuerpolitik, ebenso viele kritisieren die Bildungsanstrengungen. Auch bei Umwelt- und Netzpolitik überwiegt das Negative.

Doch obwohl die Schwachpunkte Energie und Steuern aus Sicht der Wirtschaft zu den drei wichtigsten Aufgaben für die nächste Legislaturperiode zählen (auf Platz eins liegt mit Abstand die Euro-Rettung), loben die Lobbyisten die Zusammenarbeit mit den Regierungsparteien. „Am konstruktivsten“ geht es mit der CDU, sagen 79 Prozent; 61 Prozent bescheinigen das der FDP (die bayrischen CSUler kommen nur auf 30 Prozent). Die offiziellen Sozialdemokraten gelten immerhin 49 Prozent der Firmenleute als konstruktive Partner.

Zum Gottseibeiuns sind die Grünen mutiert, die vor einigen Jahren noch als faszinierende Gesprächspartner galten. Damals hatten sie allerdings noch einen Realoflügel mit prominenten Fans der Agenda 2010. Nun bescheinigen gerade noch 20 Prozent der Verbands- und Firmenrepräsentanten den Ökos eine besonders konstruktive Haltung. Dieser politische Klimawandel schlägt auch auf die Wahlvorlieben durch. Jede Konstellation, in der die Grünen mit am Ruder wären, fällt bei der Wirtschaft durch. Käme Rot-Rot-Grün oder eine Ampelkoalition an die Macht, erwarten nur je drei Prozent für ihren Laden eine Verbesserung.

Ebenfalls mickrige fünf Prozent versprechen sich von Rot-Grün etwas Positives. Auf den ersten Blick eng beieinander liegen Schwarz-Grün (16 Prozent) und Schwarz-Gelb (18 Prozent).Der zweite Blick aber zeigt: Während nur jedes 20. Unternehmen von der Fortsetzung dieser Regierung Nachteile erwartet, ist es bei einer ökonservativen Koalition jedes zweite. Und Wirtschafts Liebling? Ist die große Koalition. Für 28 Prozent ergibt Schwarz-Rot eine rosa Zukunft, lediglich 15 Prozent sehen dann nur schwarz. „Lobbyisten setzen auf Nummer sicher und wollen eher eine große Koalition“, sagt Axel Wallrabenstein, Chairman von MSL. „Experimente wie Schwarz-Grün kommen nicht gut an.“ Eine knappe absolute Mehrheit rechnet ab Oktober mit der großen Koalition, ein knappes Drittel mit Schwarz-Gelb.

Allem Optimismus zum Trotz: Das Vertrauen in die Politikerkaste ist nicht üppig. Nur 43 Prozent sagen: Sie ist und bleibt ein verlässlicher Partner. Wallrabenstein: „Das dürfte auch mit sprunghaften Entscheidungen im Bereich Energiepolitik oder Verbraucherschutz zusammenhängen.“

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