Berlin intern

Warum bei den Schwatten bleiben?

Gregor Peter Schmitz
Gregor Peter Schmitz Ehem. Leiter Hauptstadtbüro WirtschaftsWoche (Berlin)

Die Parteien überbieten sich zur Steuergerechtigkeit. Wahlkampf halt. Führt der SPD-Chef den allein?

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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Quelle: dpa

War da was mit den Panama Papers? Die Berichterstattung über Briefkastenfirmen und Steuerbetrug, gehandelt als Meilenstein der Journalismusgeschichte, hat sich erstaunlich schnell aus den Schlagzeilen geschlichen.

Aber nicht aus den Köpfen deutscher Politiker. Wir erleben gerade den Auftakt eines sozial eingefärbten Steuerwahlkampfes so gut wie aller Parteien, von Teilen der Grünen mit ihrer Vermögensteuer bis hin zum CDU-Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Der will den Mittelstandsbauch zu einer Art Sixpack abschmelzen und nebenbei noch die ungeliebte Abgeltungsteuer beerdigen, die im Zweifel Kapitaleignern nutzt. Alle Seiten berufen sich mehr oder weniger direkt auf die Panama Papers. Der Aufruhr um sie, so ist in Berliner Parteizentralen zu hören, habe nun einmal offenbart, wie viel Frust bei den Bürgern über Steuerungerechtigkeit herrsche.

Die Partei, die keine Steuersenkungen verspricht

Es gibt aber auch schon wieder einen klaren möglichen Verlierer eines solchen Wettstreites, natürlich heißt er in diesen Tagen: SPD. Insbesondere Schäubles neue Gerechtigkeitsanflüge treffen die SPD, zu deren Markenkern die soziale Gerechtigkeit gehört. Die Partei hat unter Parteichef Sigmar Gabriel schon unentschlossen mal Besserverdiener umworben, mal klassische sozialdemokratische Klientel. Nun droht sie im Wahlkampfduell mit der Union zu allem Überfluss noch als die Partei dazustehen, die NICHT Steuersenkungen verspricht.

Bei einem vertraulichen Treffen in der Akademie Schmöckwitz nahe Berlin haben führende Sozialdemokraten gerade auch derlei Dilemmata diskutiert. Zwar war Matthias Machnig nicht dabei, vielleicht wichtigster Wahlkampfeinflüsterer eines Kandidaten Gabriel. Aber natürlich wird Steuerstrategie auch den Wahlkampf prägen. „Wir wollen keineswegs die Partei der Steuererhöhungen sein, sondern vielmehr die Partei der Steuergerechtigkeit sein“, sagt ein Teilnehmer des Treffens in Schmöckwitz. So wäre im Nachgang zu den Panama Papers zumindest denkbar, es den Amerikanern nachzumachen, die so gut wie alle ihre Bürger daheim besteuern, ganz gleich, wo sie wohnen. Das wären durchaus schlechte Neuigkeiten für deutsche Milliardäre mit Residenz in der Schweiz und ähnlich lukrativen Gefilden.

Gabriel ohne doppelten Boden

Kann der Parteichef so einen Steuerkampf glaubhaft führen, gefangen im Spagat zwischen seinen Rollen als Wirtschaftsminister und Obergenosse? Dazu kursiert eine interessante Theorie. Gabriel könnte schon bald sein Ministeramt aufgeben – und sich ganz auf die Kanzlerkandidatur konzentrieren. Möglicher Nachteil: Kanzlerin Angela Merkel dürfte ihm vorhalten, aus der Regierungsverantwortung geflohen zu sein und nur Wahlkampf zu machen.

Möglicher Vorteil: Gabriel, der große Zauderer in Sachen Kandidatur, könnte zeigen, dass er es wirklich ernst meint. „So ein Schritt zeigte: Es geht um alles oder nichts, ohne doppelten Boden“, sagt ein Genosse. In Zeiten, da Populisten Mächtigen vorhalten, an Privilegien zu kleben, würde Gabriel seine Ministervorzüge aufgeben – und hätte ganz nebenbei endlich eine Antwort auf die Frage von Susi Neumann finden, Betriebsrätin mit Krebs, 38 Arbeitsjahre als Putzfrau auf dem Buckel, seit Wochen Kultfigur in SPD-Kreisen. Neumanns Frage an Gabriel lautete: „Warum bleibt ihr bei den Schwatten?“

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