Berlin intern

Was Angela Merkel ihrer Fraktion zumutet

Gregor Peter Schmitz
Gregor Peter Schmitz Ehem. Leiter Hauptstadtbüro WirtschaftsWoche (Berlin)

Kanzlerin Merkel sagt, sie habe den Abgeordneten ihrer Partei viel zugemutet. Und mutet ihnen mehr zu.

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Angela Merkel Quelle: REUTERS

Man muss sich einen Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion als einen stolzen Menschen vorstellen. 310 Mitglieder umfasst die Fraktionsgemeinschaft, damit stellt sie alleine fast die absolute Mehrheit im Bundestag, ihr Chef Volker Kauder spricht auf Augenhöhe mit Kanzlerin Angela Merkel.
Man muss sich einen Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aber zugleich als einen gedemütigten Menschen vorstellen. Wird es nämlich wichtig in der Republik, fühlt sich die große Menge plötzlich ganz klein, dann entscheidet nur noch eine: Merkel.

So war es im Streit um Milliarden für Griechenland und in der Flüchtlingskrise sowieso. So war es bei teuren Weichenstellungen, die vielen Christdemokraten vor allem als SPD-Konjunkturprogramm erschienen, etwa dem Mindestlohn oder der Rente mit 63. Und so war es gerade bei der Frage, ob die Regierung der sonst so eigenständigen deutschen Autoindustrie wirklich eine Staatsprämie zustecken muss, damit der Verkauf von E-Autos endlich anläuft. Diese Prämie schloss der Koalitionsvertrag zwar eigentlich explizit aus, sie erscheint der großen Koalition dennoch auf einmal wie eine prima Idee.


Der Unionsfraktion hingegen nicht. Sie ventilierte gerade in einem Nachmittagsgespräch mit der Kanzlerin ihren Prämien-Frust. Merkel hörte genau zu, um wenige Stunden später in trauter Runde mit Parteichefs und Autoindustrie ebendiese Prämie endgültig abzusegnen.

Viel deutlicher konnte sie kaum zeigen, wie ernst sie innerparteiliche Demokratie nimmt. Auch Kauder, ein Kritiker der Prämie, stand da wie ein düpierter Erfüllungsgehilfe.
Deswegen wollen Unionsparlamentarier nun im Haushaltsausschuss „ein Zeichen setzen“, durch den die Regierung die Prämie als außerplanmäßige Ausgabe durchwinken möchte. Also sprach Merkel das Thema vor ihrer Fraktion noch einmal an. Sie verwies auf Megacitys in Asien, in denen Benziner in naher Zukunft verboten werden könnten. Da seien E-Autos doch die Zukunft. Außerdem habe man immerhin eine Prämienbeteiligung der Autoindustrie erreicht. Zugleich mühte sich die Kanzlerin zu signalisieren, sie habe ihrer Fraktion vielleicht ein wenig viel zugemutet.

Man müsse für deren Mitglieder „mal wieder was tun“, verbreiten ihre Einflüsterer.
Nur: jetzt halt nicht. Schließlich sei das Prämienpaket ja nun geschnürt, heißt es bedauernd. Außerdem könne die Prämie, Kostenfaktor rund eine Milliarde Euro, Deutschland wohl kaum ruinieren. „Die Haushaltspolitiker werden sich den Mund abwischen und am Ende doch zustimmen“, heißt es also beschwichtigend aus Regierungskreisen. Und das mit dem Entgegenkommen gegenüber der Fraktion? Da werde sich schon was anderes finden, vielleicht mehr Geld für deutsche Landwirte, ein bewährter Dauerbrenner.
Die nonchalante Argumentation offenbart, dass Ordnungspolitik unter dieser Kanzlerin keine Lobby hat. Bald will die Regierung auch noch eine Art Hilfspaket zur Entlastung der Fluglinien Lufthansa und Air Berlin vorlegen, bezahlt, man ahnt es, vom Steuerzahler. Zugleich zeigt Merkel, wie wenig ernst sie den Widerstand der eigenen Leute nimmt. So ruiniert sie vielleicht nicht Deutschland, aber – Zumutung um Zumutung – das Verhältnis zu ihrer Fraktion.

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