




Was war das nur für eine Inszenierung, neulich im „heute journal“? Die Schöne und das Biest? Oder: Der Dicke und das Biest? So ganz ließ sich nicht klären, wer letztlich angefangen hatte mit dem pampigen Gestänkere. Hatte Moderatorin Marietta Slomka zu penetrant den Eindruck erweckt, dass anstelle eines gleich die ganze Phalanx deutscher Verfassungsrechtler die SPD-Mitgliederbefragung zur Koalitionsvereinbarung für bedenklich hielte? Oder hatte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel zu dünnhäutig reagiert, weil die schwankende Stimmung der eigenen Parteibasis ihm so auf die Nerven geht wie den Genossen das Verhandlungsergebnis mit der Union?
Richtig ist Gabriels Argument, dass es sicherlich nicht demokratischer ist, wenn anstelle von 470.000 SPD-Mitgliedern 181 Delegierte des CDU-Parteiausschusses oder die 55 Mitglieder des CSU-Parteivorstandes über den Koalitionsvertrag entscheiden. Beides begründet auch kein imperatives Mandat; die Bundestagsabgeordneten sind bei dem einen oder anderen Verfahren so frei oder fühlen sich gebunden, wie es ihr Gewissen (und natürlich auch der Fraktionszwang) eben zulässt.
Zwar wirken die Parteien bei der „Willensbildung des Volkes mit“, wie es Artikel 21 des Grundgesetzes vorsieht. Aber auch in einer repräsentativen Demokratie ist damit nicht vorgeschrieben, dass nur Delegierte entscheiden dürften, nicht die Basis. Andersherum: Während die CDU-Parteitagssitzer in den einzelnen Landesverbänden bereits vor x Monaten gewählt wurden, als von einer Elefantenhochzeit wenig und von diesem Koalitionsvertrag gar keine Rede war, die Übertragung der Stimmgewalt auf die Delegierten also höchst abstrakt erfolgte, entscheiden die Basisgenossen wenigstens im Lichte der vorliegenden Macht- und Sachfragen.
Das führt zu einem Gedankenspiel, wie derlei Legitimationsprobleme vermieden werden könnten. Nicht dass die SPD-Mitglieder abstimmen dürfen, ist das Problem, sondern worüber. Denn sie können bewerten, was die Wähler nie zu Gesicht bekamen.
Also wäre es doch viel ehrlicher und vor allem für den weiteren Fortgang der politischen Geschäfte viel besser, die Wähler stimmten nicht über mehr oder minder abstrakte Versprechen aus dem Wahlkampf-Wolkenkuckucksheim ab, sondern über die ganz konkreten Verhandlungsergebnisse. Da man nicht nach jeder Bundestagswahl einen quasi zweiten Wahlgang mit den Ergebnissen machen könnte (zumal dann vielleicht herauskäme, dass die Bürger diese konkrete Vereinbarung auf Vorhaben für die nächsten vier Jahre dann gar nicht mehr möchten), bliebe nur ein verrückt klingender Vorschlag:
Zur Abstimmung stehen bei der Bundestagswahl nicht Parteien, sondern Koalitionsverträge. Dann müsste der Bürger nicht mehr die Katze im Sack kaufen, sondern könnte sich für ein ganz konkretes Programm entscheiden. Beim jüngsten Urnengang hätte es dann ein schwarz-gelbes, ein schwarz-rotes und vielleicht gar ein schwarz-grünes Programm gegeben.
Außerdem natürlich ein rot-grünes Angebot, eventuell auch ein rot-rot-grünes. Die Variante mit der höchsten Zustimmung wird dann Regierungspolitik.
Zugegeben, nur ein Gedankenspiel. Aber für sich allein werben könnte trotzdem jede Partei, denn für alle Parteien und alle verhandelten Konstellationen darf und sollte das selbstbewusste, machtpolitische Einmaleins gelten: Jede Regierung mit uns ist besser als jede Regierung ohne uns.