
Er pumpt das Adrenalin, die Adern an den Schläfen treten bedrohlich pochend hervor; er gestikuliert energisch, der ganze Körper wippt mit. Der Mann ist auf 180. Philip S.Murphy wirkt wie der Kapitän der „Fighting Diplomats“. Nicht das Footballteam des amerikanischen Außenministeriums, sondern die Riege seiner Repräsentanten weltweit. Sie müssen nach den peinlichen Veröffentlichungen interner Botschaftsberichte um neues Vertrauen kämpfen. In persönlichen Gesprächen mit Politikern, in Interviews und - hoffentlich verschwiegeneren - Hintergrundrunden leistete US-Botschafter Murphy vergangene Woche Abbitte, während das politische Berlin den sogenannten FDP-Maulwurf suchte: jenen Liberalen, der aus den Koalitionsverhandlungen berichtete. Freilich keine Sensationen, sondern beispielsweise Forderungen aus dem Wahlprogramm.
Putin und Merkels Angst vor Hunden
Gleichwohl wurden Besuche in der Vertretung eines Verbündeten mit Stasi-Kontakten gleichgesetzt. Auch deshalb bemühte sich Parteichef Guido Westerwelle in der dienstäglichen Fraktionssitzung, den Informanten in Schutz zu nehmen. „Wenn einer im Vertrauen mitgeteilt hat, dass wir nicht mehr Soldaten nach Afghanistan schicken wollen, dann sage ich: Good job.“ Seinen Staatssekretär Martin Biesel hatte Westerwelle beauftragt, den Informanten ausfindig zu machen. Nach den Beschreibungen der Quelle musste er nur zwei, drei Gespräche und ein Selbstgespräch führen, um alle möglichen Verdächtigen zu befragen. Am Donnerstag offenbarte sich Westerwelles Büroleiter in der Parteizentrale, er habe mit den Amerikanern geplaudert, um – im vorauseilenden Gehorsam – die Politik des künftigen Außenministers frühzeitig zu erklären.
Dabei ist das, was die deutschen Medien in den Mittelpunkt rückten, geradezu läppisch. Aber Politpromi-Klatsch verkauft sich besser als die tatsächlich heiklen Infos aus und über Nahost. Die Charakterisierungen deutscher Spitzenpolitiker und das Wissen der hier stationierten Diplomaten gingen jedenfalls nicht über die Zeitungslektüre hinaus. Das ist entweder ein Kompliment für die deutsche Presse oder ein Armutszeugnis für die US-Botschaft. Auch als Journalist ist man gesuchter Gesprächspartner ausländischer Diplomaten, die nach Einschätzungen fragen.
Hausherr Murphy, der sein Büro gern als Raum für Notizen nutzt, dreht dabei eine alte Journalisten-Weisheit um. Bei ihm heißt es: Wer bleibt, der schreibt. Allerdings würde kein seriöser Journalist seine gesammelten Erkenntnisse samt der Quellennamen oder -beschreibungen seinem Chefredakteur preisgeben oder sie gar ins Intranet des Verlages stellen. Auch die meisten ausländischen Vertretungen arbeiten nicht so leichtsinnig. Denn natürlich tragen Gesandte in aller Welt – auch die deutschen – Informationen über harte Politik und weiche Charaktere zusammen und es wäre schlimm, wenn’s anders wär. Schließlich sind gerade persönliche Schwächen für heikle Verhandlungen wichtig, ganz gleich, ob man sie nutzen oder aus Vorsicht vermeiden will.
So kannte der damalige sowjetische Präsident Vladimir Putin die Angst von Kanzlerin Angela Merkel vor Hunden und ließ dennoch oder gerade deshalb seinen Rüden ins Zimmer. Ein anderes Mal schenkte er ihr einen Plüsch-Husky. Andererseits werten Diplomaten seit jeher vornehmlich die örtliche Presse aus. Das frühere gesamtdeutsche Ministerium bezog seine Unkenntnis über die wahre Lage der DDR auch zu großen Teilen aus dem „Neuen Deutschland“.