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Berlin intern

Zum Diktat verreist

Henning Krumrey Ehem. Redakteur

Manchmal übertreiben es CDU und SPD mit der großen Koalition. Jetzt haben sogar ihre Generalsekretäre ganz ähnliche Probleme.

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SPD-Generalin Fahimi. Quelle: dpa

Mit einem kräftigen „Hurra“ beendet Peter Tauber gern Reden, Statements oder Twittereinträge. Derart draufgängerisch kann der forsche CDU-Generalsekretär bei seinem sozialdemokratischen Pendant Yasmin Fahimi nicht landen. Die beiden haben wenige Berührungspunkte. Genau genommen mögen sie sich nicht so richtig. „An Frau Fahimi habe ich keine Wünsche“, sagte Tauber sogar brummig-desillusioniert zum Jahreswechsel. Er hatte sich geärgert, dass die Genossin eine Gesprächseinladung nicht persönlich an ihn adressiert, sondern an die Medien gegeben hatte.

Dabei verbindet die beiden Berufskollegen derzeit ein gemeinsames Problem: Sie stehen öffentlich als Einzelkämpfer da, losgelöst von Partei und Führung.

Hurrapatriot Tauber propagierte auf dem Höhepunkt der Pegida-Proteste ein neues Einwanderungsrecht, um Druck aus dem Dresdner Demonstrantenkessel zu nehmen. Doch der zuständige Innenminister Thomas de Maizière, direkt gewählter CDU-Bundestagsabgeordneter im benachbarten Meißen, beschied ihn kühl: Deutschland brauche kein Einwanderungsgesetz, „wir haben es bereits“. In der Führung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war die Ablehnung ebenso deutlich. Die Volksvertreter sähen „nicht die Notwendigkeit eines neuen Gesetzgebungsverfahrens“, verkündete ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer.

Die Köpfe der Pegida-Bewegung

Taubers Kollegin Fahimi wurde bloßgestellt durch den Ausflug ihres Vorsitzenden nach Dresden. Als Anhänger und Kritiker der Pegida-Bewegung auf Einladung der Landeszentrale für Politische Bildung zusammensaßen, mischte sich Sigmar Gabriel unters Publikum, sprach später eine halbe Stunde mit Bürgern beider Lager – und diktierte so die Linie seiner Partei.

Gabriels innenpolitische Reisediplomatie brachte Fahimi in Erklärungsnot. Die hatte nämlich wochenlang verkündet, die SPD lehne den Kontakt mit den als rechtsradikal gebrandmarkten Demonstranten ab. Sie hatte Pegida eine „Schande für Deutschland“ genannt, „Fremdenhass“ diagnostiziert und das „wiederaufkeimende Verständnis für die Bewegung und ihre Anhänger“ kritisiert. Noch am 23. Januar mochte sie „in keinen Dialog treten mit Leuten, die Stimmung schüren gegen Migranten, gegen Ausländer und gegen Andersdenkende“. Abends saß Gabriel in Dresden: „Was gibt es Wichtigeres, als zu reden?“

Früher prägten Generalsekretäre die Programme ihrer Parteien, schrieben gar Parteigeschichte. Heiner Geißler modernisierte – anfangs im Auftrag, später gegen den Willen von Helmut Kohl – die Honoratiorenpartei CDU und formulierte die „neue soziale Frage“. So machte er die Konservativen auch zur Arbeitnehmerpartei. Angela Merkel drängte mit ihrem legendären Artikel in der „FAZ“ – ohne Wissen des damaligen Parteichefs Wolfgang Schäuble – den Altkanzler und Ehrenvorsitzenden Kohl nach dessen Spendenaffäre aus Amt und – nee, die war schon durch die Entdeckung der Affäre perdu. Der legendäre Peter Glotz verpasste als Bundesgeschäftsführer – Generalsekretäre hatte sie damals noch nicht – seiner SPD linksintellektuelles Profil. Karl-Hermann Flach gilt auch heute noch zusammen mit Ralf Dahrendorf als klügster liberaler Nachkriegskopf; mit seinen Freiburger Thesen brachte er die FDP auf sozialliberalen Kurs.

Heute sind die Generalsekretäre meist zu Pressesprechern de luxe degradiert. Klappt aber nur, wenn Stimme und Stimmung der Parteiführung auf einer Linie liegen.

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