




Es ist die Geschichte einer langsamen, aber sehr nachhaltigen Entfremdung. Hätte der Berliner Chef des Pannenflughafens BER, Rainer Schwarz, nicht noch immer die Rückendeckung von Klaus Wowereit und Matthias Platzeck, er hätte seinen Posten längst räumen müssen. Die Länderchefs in Berlin und Brandenburg, neben dem Bund die Anteilseigner der Flughafengesellschaft, halten zu ihm. Noch jedenfalls.
Die Ministerpräsidenten sind Schwarz’ Jobgaranten. Und umgekehrt: Fiele er, ist der letzte Schutzschild perdu, der die handelnden Politiker selbst noch vor allzu kritischen Fragen abschirmt. Der ehemalige Technikchef wurde bereits geschasst, die Planungsfirmen ebenfalls. Außer dem Aufsichtsrat ist Schwarz der letzte Sündenbock, der noch da ist.
Der steinige Weg zum Hauptstadtflughafen
Gründung der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF). Gesellschafter sind die Länder Berlin und Brandenburg.
Beginn der Planungen für den Flughafen mit dem Projektnamen Berlin Brandenburg International, BBI.
Der Ausbau des Flughafens Schönefeld sowie die Schließung der Flughäfen Tegel und Tempelhof werden beschlossen.
Das Genehmigungsverfahren für den BBI wird mit dem Planfeststellungsbeschluss abgeschlossen.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhängt im Eilverfahren einen weitgehenden Baustopp. Bis zum Urteil sind nur Bauvorbereitungen gestattet.
Das Gericht genehmigt in letzter Instanz den Bau des BBI unter verschärften Lärmschutzauflagen.
Erster Spatenstich für das Flughafen-Terminal.
Nach 85 Jahren schließt der Flughafen Tempelhof.
Das Brandenburger Verkehrsministerium erlässt eine neue Nachtflugregelung: Keine Starts und Landungen von Mitternacht bis 5.00 Uhr, Ausnahme Post- und Regierungsmaschinen, Notfälle. In den Randzeiten davor und danach ist die Zahl begrenzt.
Unter anderem wegen der Pleite einer Planungsfirma wird die Eröffnung von November 2011 auf den 3. Juni 2012 verschoben.
Die Deutsche Flugsicherung legt einen ersten Flugrouten-Vorschlag vor. Tausende Betroffene gehen dagegen auf die Straße. Es gibt neue Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss.
Das Bundesverwaltungsgericht gibt grünes Licht für nächtliche Flüge in den Randzeiten. Der Airport kann ohne weitere Einschränkungen an den Start gehen.
Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung legt die Flugrouten fest und folgt im wesentlichen einem Vorschlag der Fluglärmkommission aus Gemeinde- und Airline-Vertretern.
Vier Wochen vor dem Termin wird wegen Problemen mit der Brandschutzanlage die Eröffnung des Flughafens erneut abgesagt. Später wird Chef-Planer Manfred Körtgen entlassen.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg spricht den Anwohnern das Recht auf besseren Schallschutz zu.
Der Aufsichtsrat entscheidet, den neuen Starttermin 17. März erneut zu überprüfen und am 16. August darüber zu entscheiden.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig weist die Klage von Anwohnern ab, das Genehmigungsverfahren für den neuen Hauptstadtflughafen neu aufzurollen. Jetzt steht der Eröffnung des Airports zumindest juristisch nichts mehr im Weg.
Sitzung des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft. Der Aufsichtsrat lässt den Eröffnungstermin weiter offen. Damit sind auch die Mehrkosten und deren Finanzierung noch nicht abschließend geklärt. Fest steht, dass Bund und Länder Gelder zuschießen müssen. Beim Schallschutz für Anwohner wird nachgebessert.
Der Aufsichtsrat will den Eröffnungstermin endgültig festlegen. Der bisherige dritte Termin am 17. März 2013 steht seit langem wieder zur Disposition.
Auf Seiten des Bundes allerdings hat Schwarz mit miserablem Krisenmanagement, ungelenken Auftritten und einer Ich-bin-mir-keiner-Schuld-bewusst-Attitüde jeden Rückhalt verloren.
Der jetzt beschlossene Antrag der Bundestags-Haushälter, Schwarz zu entlassen, ist da nur der Schlusspunkt einer Entwicklung, die sich seit Monaten zuspitzte. Der Bund muss insgesamt 312 Millionen Euro zur 1,2-Milliarden-Notspritze beisteuern, um den Flughafen liquide zu halten. Die Kassenwarte haben sich entschieden, dieses Geld nur mit der Faust in der Tasche und in kleinen Tranchen freizugeben. So hält man den Druck auf Schwarz möglichst hoch. Ein Gutachten soll nun klären, ob Schwarz persönliche Fehler nachgewiesen werden können, mit der die Demission zu rechtfertigen wäre.
Deutschland
Der Chef der "Soko BER" im Bundesverkehrsministerium, Staatsekretär Michael Odenwald, sprach Schwarz bereits offen sein Misstrauen aus. Im Bundestags-Verkehrsausschuss musste sich der Manager den Vorwurf gefallen lassen, den Bund im Frühjahr über zwei brisante Briefe der Unternehmensberatung McKinsey nicht informiert zu haben, die den damals noch angestrebten Eröffnungstermin 3. Juni 2012 schwer in Zweifel zogen. Schwarz habe „falsch“ und „nicht umfassend informiert“, der Aufsichtsrat sei „bewusst in Unkenntnis der tatsächlichen Lage gelassen“ worden, protokollierte die Soko. Sein Kollege im Aufsichtsrat, Rainer Bomba, forderte Schwarz auf, Konsequenzen zu ziehen. Der lehnte ab.
Der Aufsichtsrat sei kein Gremium zur Postbesprechung, verteidigt sich Schwarz. Und für die Baustelle, auf der es drunter und drüber geht, sei der Technikchef verantwortlich gewesen, nicht er. Die Parlamentarier trauten ihren Ohren nicht. Auch in Sitzungen der Soko zeigte sich Schwarz bisweilen indisponiert. All das hat bei maßgeblichen Bundespolitikern den Eindruck verfestigt, den falschen Mann an der Spitze eines der wichtigsten deutschen Infrastrukturprojekte sitzen zu haben.