Das OP-Verbot trifft viele – Orthopädinnen, Chirurginnen oder Gynäkologinnen. Zwei Drittel der Medizinstudenten sind Frauen, mehr als die Hälfte der Mediziner in der Facharztausbildung weiblich. Niethard und ihre Mitstreiterinnen im Projekt „Operieren in der Schwangerschaft“ (OPidS) schätzen, dass 1000 bis 1500 Klinikärztinnen jährlich schwanger werden.
Der Nachteil für Krankenhäuser: Eine Fachkraft fällt sofort und ohne Ersatz aus. Für die Frauen: Sie können ihre Weiterbildung mit einer geforderten Zahl an OPs nicht fortsetzen. Ärztin Niethard fand mit ihrem Chef einen Weg. Sie war bei planbaren Eingriffen im Einsatz, nicht in Notfällen. Beim Röntgen ging sie vor die Tür. Blut der Patienten wurde mit deren Einverständnis auf Hepatitis C und HIV getestet. Statt mit Narkosegas lässt sich intravenös betäuben.
Sie weiß, wie wichtig Hilfe von oben ist – auch gegenüber Kollegen. In der Weiterbildung, wenn Assistenzärzte viel operieren müssten, seien manche froh, wenn Konkurrenz ausfalle. „Da muss der Chef ran und sagen, dass eben nur Frauen die Kinder kriegen können.“ Wer nach der Elternzeit wiederkomme, müsse sich ohnehin hinten anstellen.
Anwältin Mohr verlangt Anpassungen im Mutterschutzgesetz. „Bisher fehlt ein einheitlicher Standard im Gesetz, was erlaubt ist“, kritisiert sie. Es hänge vom Sachbearbeiter der örtlichen Aufsicht ab. So bleibe es bei oft unsinnigen Verboten – Vorgesetzte wollten sich absichern, weil sie hafteten, wenn etwas schiefgeht.
Deshalb fordert Mohr auch Klarheit, wer einsteht, sollte eine Schwangere sich oder den Fötus verletzen. „Sobald klar ist, unter welchen Bedingungen eine Frau arbeiten darf, müsste das als normaler Arbeitsunfall gelten.“ Bei schweren Krankheiten wie Hepatitis C oder HIV, gegen die es keine Impfung gebe, sollten Chirurginnen erklären, dass sie das Risiko selbst tragen.
Im Vergleich zu heute wäre das ein Fortschritt. Kolleginnen mailen an die OPidS-Macherinnen, dass sie ihren Zustand lange verheimlichen. Teils werde ein wachsender Bauch im Team stillschweigend ignoriert. Wer seine Schwangerschaft nicht preisgibt, fällt nicht unter den Mutterschutz. Eine bundesweite Befragung unter Chirurginnen und Gynäkologinnen ergab, dass diese erst nach der 14. Woche ihre Schwangerschaft anzeigten, Oberärztinnen sogar erst in der 20. Woche. Dann ist Halbzeit bis zur Geburt.