Maya Niethard ist schwanger. Die Orthopädin arbeitet 2013 als Oberärztin im Helios-Klinikum Berlin-Buch. Eine werdende Mutter, die mit wachsendem Bauch operiert? Das ist in deutschen Kliniken und im Mutterschutzgesetz nicht vorgesehen. Niethard will das aber.
Sehr früh, in der fünften Woche, offenbart sie sich ihrem Chef. Sie will nichts riskieren und beim Röntgen mehr Abstand. „Die meisten Ärztinnen sagen es erst viel später“, weiß die heute 37-Jährige. „Sie wollen kein Operationsverbot und nicht zur Außenseiterin im Team werden.“
Was Ärzte verdienen
Allgemeinmediziner verdienen im Vergleich am wenigsten. Ihr Jahreseinkommen liegt nach Abzug der Praxiskosten, aber noch mit persönlichen Abgaben und Steuern bei 116.000 Euro. Das hat das Statistische Bundesamt 2013 ausgerechnet.
Um die kleinsten und schon etwas größeren Erdenbewohner kümmert sich der Kinderarzt. Er verdient 124.000 Euro im Jahr.
Eine Schädigung des Gehirns nach einen Schlaganfall zeigt dieses Bild eines Professors aus Jena. Neurologen und Psychiater liegen mit ihrem Einkommen von 128.000 Euro auf dem drittletzten Platz.
Künstliche Hüftgelenkkugeln aus Biokeramik mit einem vergrößerten Durchmesser von 36 Millimetern sind eine Entwicklung einer Orthopädie-Firma aus Ostthüringen. Neue Hüften, aber auch Prothesen verschreibt der Orthopäde. Mit 186.000 Euro Jahreseinkommen hätte es beinahe für den Spitzenplatz gereicht.
Radiologen verdienen mit Abstand am besten: Ihr Jahreseinkommen liegt bei 264.000 Euro; damit verdienen sie knapp 80.000 Euro mehr als der zweitplatzierte Orthopäde.
Nach dem Organskandal - hier die Entnahme einer Niere im Universitätsklinikum Jena - haben vor allem Urologen an Prestige verloren. Ihrem Verdienst hat das bislang nicht geschadet: Mit 167.000 Euro Jahreseinkommen liegen sie auf Platz 4
Erkrankungen wie der graue Star lassen sich mit diesem Gerät besonders gut erkennen. Mit einem Jahreseinkommen von 170.000 Euro im Jahr liegt der Augenarzt auf Platz 3 der bestverdienenden Mediziner in Deutschland.
Hier bereitet sich der Chirurg auf die Operation einer gebrochenen Hand vor. Er hat ein Jahreseinkommen von 148.000 Euro im Jahr.
Jedes Jahr sterben etwa 18.000 Frauen an Brustkrebs, 48.000 Fälle werden diagnostiziert. Vorsorgeuntersuchungen sollten beim Frauenarzt gemacht werden. Er verdient mit 145.000 Euro etwas mehr als der HNO-Arzt.
Mit diesem Vergrößerungsglas wird hier die Hautkrebs-Früherkennung durchgeführt. Für mehr als 218 000 Menschen ist die Diagnose tödlich. Der Hautarzt hat 155.000 Euro zur Verfügung.
Über 100 Jahre alt ist der Ohrstöpsel schon alt. Um die Gesundheit drei unserer Sinnesorgane kümmert sich der Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Dafür wird er mit jährlich 144.000 Euro entlohnt.
Der Internist, der sich vor allem um Organe im inneren des Menschen wie Herz und Nieren kümmert, liegt mit seinem Verdienst bei 158.000 Euro im Jahr.
Sobald sich eine Kollegin outet, greift der Mutterschutz. Den legen örtliche Behörden und Arbeitgeber meist so aus, dass eine schwangere Ärztin vom Dienst freigestellt wird. Niethard leistet Überzeugungsarbeit und darf weitermachen. Nun ist sie Vorbild.
Gesetz von 1952
Grund für die Verbannung aus dem OP ist das Mutterschutzgesetz von 1952, das Betroffene als nicht mehr zeitgemäß empfinden. „Da steckt noch dahinter, dass eine Frau als Schwangere oder dann mit dem Kind zu Hause sein soll“, sagt die Anwältin und Medizinrechtlerin Rebecca Mohr. Männer und Frauen arbeiteten heute aber beide. Im Joballtag lasse sich einiges organisieren. Der Schutz werde in anderen europäischen Ländern längst flexibler gehandhabt.
Hierzulande aber entscheiden Chefs anders – auch aus Angst vor rechtlichen Problemen. Als zu gefährlich gelten Nadeln, OP-Werkzeuge oder das Infektionsrisiko. „Weil es immer so war, wird ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen“, weiß Orthopädin Niethard. „Meist fehlt in den Kliniken das Wissen, was in der Schwangerschaft ohne Probleme geht.“ Werdende Mütter landen in der Ambulanz, der Dokumentation oder am Ultraschallgerät.
Doch das bedeute nicht immer mehr Sicherheit, kritisiert Niethard. „In der Ambulanz hat man mit 50 bis 70 Patienten am Tag Kontakt.“ Ob jemand ansteckend sei, ist erst einmal unklar. „Im OP wissen wir viel mehr. Außerdem sind wir durch Kittel, Mundschutz und Tücher geschützt.“
Gesetz betrifft mehr als die Hälfte der Mediziner
Das OP-Verbot trifft viele – Orthopädinnen, Chirurginnen oder Gynäkologinnen. Zwei Drittel der Medizinstudenten sind Frauen, mehr als die Hälfte der Mediziner in der Facharztausbildung weiblich. Niethard und ihre Mitstreiterinnen im Projekt „Operieren in der Schwangerschaft“ (OPidS) schätzen, dass 1000 bis 1500 Klinikärztinnen jährlich schwanger werden.
Der Nachteil für Krankenhäuser: Eine Fachkraft fällt sofort und ohne Ersatz aus. Für die Frauen: Sie können ihre Weiterbildung mit einer geforderten Zahl an OPs nicht fortsetzen. Ärztin Niethard fand mit ihrem Chef einen Weg. Sie war bei planbaren Eingriffen im Einsatz, nicht in Notfällen. Beim Röntgen ging sie vor die Tür. Blut der Patienten wurde mit deren Einverständnis auf Hepatitis C und HIV getestet. Statt mit Narkosegas lässt sich intravenös betäuben.
Sie weiß, wie wichtig Hilfe von oben ist – auch gegenüber Kollegen. In der Weiterbildung, wenn Assistenzärzte viel operieren müssten, seien manche froh, wenn Konkurrenz ausfalle. „Da muss der Chef ran und sagen, dass eben nur Frauen die Kinder kriegen können.“ Wer nach der Elternzeit wiederkomme, müsse sich ohnehin hinten anstellen.
Anwältin Mohr verlangt Anpassungen im Mutterschutzgesetz. „Bisher fehlt ein einheitlicher Standard im Gesetz, was erlaubt ist“, kritisiert sie. Es hänge vom Sachbearbeiter der örtlichen Aufsicht ab. So bleibe es bei oft unsinnigen Verboten – Vorgesetzte wollten sich absichern, weil sie hafteten, wenn etwas schiefgeht.
Deshalb fordert Mohr auch Klarheit, wer einsteht, sollte eine Schwangere sich oder den Fötus verletzen. „Sobald klar ist, unter welchen Bedingungen eine Frau arbeiten darf, müsste das als normaler Arbeitsunfall gelten.“ Bei schweren Krankheiten wie Hepatitis C oder HIV, gegen die es keine Impfung gebe, sollten Chirurginnen erklären, dass sie das Risiko selbst tragen.
Im Vergleich zu heute wäre das ein Fortschritt. Kolleginnen mailen an die OPidS-Macherinnen, dass sie ihren Zustand lange verheimlichen. Teils werde ein wachsender Bauch im Team stillschweigend ignoriert. Wer seine Schwangerschaft nicht preisgibt, fällt nicht unter den Mutterschutz. Eine bundesweite Befragung unter Chirurginnen und Gynäkologinnen ergab, dass diese erst nach der 14. Woche ihre Schwangerschaft anzeigten, Oberärztinnen sogar erst in der 20. Woche. Dann ist Halbzeit bis zur Geburt.