Das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) hat sich seit 1997 als „Denkfabrik“ in Fragen der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Altersversorgung durchaus einen guten Ruf erworben. Aber bei manchen Hinweisen und Mitteilungen des DIA bemerkt man dann eben doch, dass die Gesellschafter des privatwirtschaftlich organisierten Instituts Banken und Finanzinstitute sind. So weist das Institut in einer aktuellen Pressemitteilung darauf hin, dass gesetzlich Rentenversicherte seit Anfang Juli bereits ab einem Alter von 50 die Möglichkeit hätten, zusätzliche Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung zu überweisen.
Damit können sie der Rentenversicherung die Abschläge abkaufen, die bei einem vorzeitigen Rentenbezug fällig werden. Bisher ging das erst ab 55. Das DIA findet es gut, dass man sich die Sache nun schon ab 50 überlegen könne. Schließlich gehe es um hohe Beträge und es gebe auch die Alternative, die Rentenlücke mit einer privaten Vorsorge zu schließen, so DIA-Sprecher Klaus Morgenstern. Doch ist die angesichts der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt wirklich attraktiv?
Rentenexperte Werner Siepe ärgert diese tendenziöse Positionierung des DIA zugunsten einer Kapitalanlage. Weitaus wichtiger für Rentenversicherte sei nämlich das, was das DIA hier offenbar bewusst verschweige: „Zumindest zurzeit sind Zahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung zum Ausgleich von Rentenabschlägen ein sehr gutes Geschäft. Das Mehr an gesetzlicher Rente schlägt angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase eine vergleichbare Rürup-Rente oder auch Rente aus der privaten Rentenversicherung“, so Siepe.
Bestätigt wird diese Sicht auch von Michael Huber vom VZ Vermögenszentrum. Er kommt in einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe von „Focus Money“ zu folgendem Ergebnis: Selbst wenn man konservativ bis zum Ruhestandsbeginn mit 63 nur ein Prozent Rentenanpassung pro Jahr unterstellt, kommt bei einer Einzahlung in die Rentenversicherung mehr heraus als bei einer privaten Police. Zumindest, was die erreichbare monatliche Brutto-Rente betrifft.
Siepe teilt diese Einschätzung. Doch wehrt er sich gegen die Aussage von Focus Money, dass es sich bei den freiwilligen Einzahlungen in die Rentenkasse um einen Trick handele. „Es ist kein ‚Trick‘, Ausgleichszahlungen zu leisten, sondern vom Gesetzgeber ausdrücklich so gewollt.“ Das gelte auch für den Fall, in dem der Versicherte sich entscheidet, am Ende doch erst mit der Regelaltersgrenze auszuscheiden und sich die eingezahlten Beiträge in Form einer Zusatzrente auszahlen zu lassen. von z.B. 3,6 Prozent der Rentenanwartschaft.
Außerdem verschwiegen sowohl das DIA als auch Focus Money, dass Versicherte den Ausgleichsbetrag für die Rentenabschläge, der leicht 50.000 Euro erreichen kann, nicht unbedingt in einer Summe an die Rentenversicherung überweisen müssen. Gezahlt werden könne auch in zwei Raten pro Jahr. „Für einen heute 50-Jährigen mit geplanter Rente ab 63 bedeutet dies, dass er die Ausgleichssumme in 26 Teilbeträgen leisten kann.“
Sonderbeiträge belasten zukünftige Beitragszahler
Wer vor Erreichen der Regelaltersgrenze in Rente geht, muss für jeden Monat einen Abschlag von 0,3 Prozent an seiner bis zum vorgezogenen Rentenbeginn erreichten Rentenanwartschaft in Kauf nehmen. „Versicherte, die zum Beispiel ein Jahr vorzeitig in Rente gehen, müssen eine Rentenminderung um 3,6 Prozent in Kauf nehmen. Bei einer ursprünglichen Rentenhöhe von zum Beispiel 1500 Euro sind das immerhin 54 Euro im Monat.
Die Kürzung gilt für die gesamte Rentenbezugsdauer“ rechnet das DIA vor. In seiner Mitteilung führt das Institut vor allem aus, wie teuer ein Sonderbeitrag an die Rentenversicherung sehr schnell werden kann. Wer bei einer Rente von 1.500 Euro drei Jahre früher in Rente gehen möchte, müsse bereits 41.380 Euro aufbringen, um den monatlichen Abschlag in Höhe von 162 Euro zu kompensieren.
Bert Rürup, Chef des Handelsblatt Research Institute, bestätigt die Aussagen von Siepe und Focus Money: „Aus der Sicht der einzelnen Versicherten ist es zurzeit rational, Zusatzbeiträge in die Rentenversicherung zu leisten, weil es dort im aktuellen Niedrigzinsumfeld eine höhere Rendite im Vergleich zu neu abgeschlossenen privaten Rentenverträgen gibt.“ In Zukunft werde sich dies allerdings wieder ändern, da infolge der demografischen Entwicklung die Rentenbeiträge steigen würden. Zur Absicherung der gleichen Zusatzrente müssten dann entsprechend höhere Summen eingezahlt werden.
Doch der ehemalige Chef der Wirtschaftsweisen hat auch Einwände: Bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung ergebe sich ein völlig anderes anderes Bild, merkt er an. „Leistungen einer privaten Lebensversicherung werden aus dem Verzehr verzinster Kapitalanlagen gezahlt. Die Rentenversicherung basiert aber auf dem Umlageverfahren. Dies bedeutet, wer heute dort freiwillige Beiträge einzahlt, erwirbt Zahlungsansprüche gegenüber künftigen Beitragszahlern.“ Heute geleistete Zusatzbeiträge würden die Rentenversicherung daher zu einer Zeit belasten, in der umlagefinanzierte Systeme wegen der Alterung der Gesellschaft ohnehin vor Problemen stehen werden. Aus Sicht zukünftiger Beitragszahler sind die freiwilligen Zusatzbeiträge daher eher unerwünscht.
Gleichwohl hat der Gesetzgeber mit dem Flexirenten-Gesetz auch an einer anderen Stelle die Möglichkeiten verbessert, durch zusätzliche Beiträge den gesetzlichen Rentenanspruch zu erhöhen. Wer schon heute eine Frührente bezieht oder beabsichtigt, vorzeitig in Rente zu gehen, kann seit Jahresbeginn seinen Rentenanspruch nachträglich durch freiwillige Beiträge erhöhen. Einzahlungen sind möglich bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, die bekanntlich seit 2012 jährlich ansteigt – bis 2031 das Rentenalter von 67 erreicht ist. In diesem Jahr liegt der freiwillige Mindestbeitrag bei 1009 Euro, der Höchstbetrag bei 14.250 Euro im Jahr.