Betreuungsgeld und Co. Das Versagen der Familienpolitik

Die Familienleistungen des Staates sind teuer und weitgehend erfolglos. Zu diesem – wenig überraschenden – Befund kommt eine Gruppe von Forschern. Die Opposition jubelt, doch auch sie trägt Mitschuld.

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Familienpolitik in Deutschland ist teuer und erfolglos. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag der Bundesregierung, aus der erste Details durchsickerten. Überraschend ist das Resultat nicht, wer einen Blick auf die Geburtenraten in Deutschland wirft, muss zu dem gleichen Ergebnis kommen. 1,36 Kinder bekommt eine Frau in Deutschland im Schnitt. Die Fertilitätsrate hat sich damit innerhalb von 20 Jahren kaum verändert (1990: 1,45 Geburten pro Frau) – trotz der Erhöhung des Kindergeldes oder der Einführung des Elterngeldes.  

Auch der Zwischenbericht der Forscher aus dem der „Spiegel“ zitiert, stellt fest, dass ein großer Teil der 200 Milliarden Euro an Geldtransfers, Steuernachlässen und Versicherungsleistungen Jahr für Jahr recht wirkungslos verpufft. Das Kindergeld: „wenig effektiv“. Das Ehegattensplitting: „ziemlich unwirksam“. Die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenversicherung: „besonders unwirksam“.

Die familienfreundlichsten Unternehmen
Bergmann Klaus Wuestenberg beobachtet den Abraumbagger SRs1541 waehrend des offiziellen Starts zum Aufschluss des neuen Kohlefeldes Quelle: AP
Blick auf das Logo der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Quelle: dpa
Das Logo des TÜV Nord Quelle: dpa
Carina Sarstedt von Caritas International in Freiburg richtet Spendendosen Quelle: AP
Das Logo der Postbank Quelle: dpa
Ein Mitarbeiter der Eckes-Granini Deutschland GmbH steht inmitten der neuen PET-Produktionsanlage und kontrolliert eine Kunststoffflasche. Quelle: dpa
Ein Kunde greift in einem REWE City-Markt in Koeln nach einem Einkaufswagen Quelle: dapd


Eine interne Bestandsaufnahme des Familienministeriums von 2010 umfasst 156 ehe- und familienbezogene Einzelmaßnahmen mit einem Volumen von 200,3 Milliarden Euro. Darunter fallen aber auch Leistungen wie die Witwenrente. Knapp 40 Milliarden kostet das Kindergeld und 4,9 Milliarden das Elterngeld. Fast 150.000 Euro zahlt der Staat im Schnitt pro Kind bis zum 18. Lebensjahr. Dennoch liegt die Geburtenrate klar unter dem EU-Schnitt.
Demnach gibt es insgesamt ein Versagen in der Familienpolitik in den letzten Jahrzehnten, zu verantworten also von Union, FDP, SPD und Grünen gleichermaßen. Ein Befund der Forscher ist, dass bestens ausgebildete Frauen vom Job ferngehalten würden - und mangels Rentenbeiträgen die Altersarmut von morgen so noch gefördert werde.

Die Kritik geht Richtung Union, die mit dem ab August ausgezahlten Betreuungsgeld das Erziehen daheim stärken will. Eltern, die für ihr Kind im zweiten und dritten Lebensjahr keinen Kita-Platz oder eine staatlich bezahlte Tagesmutter in Anspruch nehmen, erhalten dann monatlich erst 100, später 150 Euro. Die Koalition rechnet mit 1,1 Milliarden Euro Kosten pro Jahr, die Opposition mit zwei Milliarden.

Eklatanter Mangel an Betreuungsplätzen trotz Rechtsanspruch

Welche Länder überaltern
Platz 8: Schweden Quelle: dapd
Platz 7: Portugal Quelle: REUTERS
Senioren beim Nordic-Walking Quelle: dpa
Griechenland Quelle: dpa
Platz 10: Finnland Quelle: dapd
Platz 5: Bulgarien Quelle: Reuters
Platz 4: Italien Quelle: dapd

Für SPD und Grüne hätten die ersten Details der Studie damit zu keinem günstigeren Zeitpunkt kommen können. Die Opposition weiß in ihrer Kritik am Betreuungsgeld die Mehrheit der Bürger hinter sich – und sieht Potenzial, im Bundestagswahlkampf auf diesem Themenfeld zu punkten.

Keine Frage: Das größte Problem der Familienpolitik ist, dass all ihre Maßnahmen ideologisch geprägt sind. Die Union versteift sich in ihrem traditionellen Rollenverständnis, wonach der Mann der Ernährer ist und die Frau die Kinder hütet. Die Ehe wird durch das Ehegattensplitting gefördert, selbst wenn die Partnerschaft kinderlos bleibt. Die Sozialdemokraten gehen anders – aber nicht weniger ideologisch an das Thema heran.

Die jüngsten Länder der Welt
Familie mit Kind Quelle: dpa
Kinder spielen mit Wasser Quelle: dpa
Junge aus Vanuatu Quelle: Graham Crumb
Kinder in Brasilien Quelle: dpa
Kinder in Japan Quelle: AP
Aus Mali geflüchtete Kinder Quelle: dpa
Kinder in Angola Quelle: Paulo César Santos

Sie planen für Eltern ein flexibles Arbeitszeitmodell mit einer 30-Stunden-Woche für Vater und Mutter. Dazu soll es staatliche Zuschüsse geben. Zudem soll das Kindergeld so umgestaltet werden, dass gerade alleinerziehende, arbeitstätige Mütter mehr bekommen als bisher, während für Einkommen ab 70 000 Euro brutto die Freibeträge für Betreuung, Erziehung und Ausbildung abgeschafft werden sollen. Die Anreize für die Besserverdienenden, die unterdurchschnittlich wenige Kinder bekommen, fallen demnach weg.

Die Autoren der Studien brechen den Informationen zufolge eine Lanze für den Ausbau von Betreuungsangeboten. Denn genau hier hapert es massiv.

Zwar haben Eltern für ihre Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf Betreuung entweder in einer Kita oder bei einer staatlich geförderten Tagesmutter. Doch nach Statistiken fehlten 2012 noch 220.000 Plätze. Den Kommunen droht eine Welle an Schadenersatzforderungen. Wenn es keine Plätze gibt, könnten mehr Eltern als gedacht das Betreuungsgeld in Anspruch nehmen.

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