Betreuungsgeld Wirtschaftsforscher verurteilen Herdprämie

Wirtschaftsforscher fordern von der Bundesregierung einen Verzicht auf die Einführung des Betreuungsgeld. Die sogenannte „Herdprämie“ sei ein sozialpolitischer Rückschritt.

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Wirtschaftsforscher üben harsche Kritik an der Herdprämie. Quelle: dapd

Berlin Führende Wirtschaftsforschungsinstitute verlangen von der Bundesregierung einen Verzicht auf das Betreuungsgeld. Kritik an dem Vorhaben der schwarz-gelben Koalition kam am Freitag unter anderem vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) und vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) forderte ein Umdenken.

Der RWI-Präsident und „Wirtschaftsweise“ Christoph M. Schmidt sagte, es dürfe keine Anreize dafür geben, „dass Mütter keine Erwerbstätigkeit aufnehmen“. Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass mit dem Betreuungsgeld „einzelne Eltern dazu angeregt werden, ihren Kindern öffentliche Betreuung vorzuenthalten“. Schmidt fügte hinzu: „Nicht zuletzt aufgrund des erheblichen finanziellen Volumens des Betreuungsgeldes sollte dieses gestoppt werden.“

Der HWWI-Direktor Thomas Straubhaar kritisierte, das Betreuungsgeld sende in mehrfacher Hinsicht die falschen Signale aus. So hebele es „den mühsam errungenen Verdienst des Elterngeldes aus, Mütter zu einer etwas zügigeren Rückkehr in das Erwerbsleben zu bewegen“. Straubhaar fügte hinzu, das Betreuungsgeld sei „ein Rückschritt hin zur traditionellen Aufgabenteilung der Geschlechter“. Es schade „gerade jenen Kindern, die von der institutionellen Betreuung im Kleinkindalter am meisten profitieren würden“.

Nicht ausgeschlossen sei, „dass ein Teil der Eltern ihre Kinder aus der Kita wieder herausnimmt, um in den Genuss der Geldleistung zu gelangen“. Der HWWI-Direktor betonte: „Die Idee, selbst betreuenden Eltern eine Kompensation für nicht entstandene Fremdbetreuungsleistungen zahlen zu müssen, ist und bleibt ein sozialpolitischer Rückschritt.“ Der DIW-Vorstandsvorsitzende Gert Wagner sagte: „Es ist heutzutage schwer nachzuvollziehen, warum der Staat Eltern dafür Geld geben soll, damit sie zu Hause bleiben und ihre Kinder erziehen. Zu Hause bleiben wollen ja nur noch ganz wenige Eltern.“ Besser wäre es, „das Geld in die öffentliche Betreuung kleiner Kinder zu stecken“.

Das helfe „gerade Kindern aus bildungsfernen Familien“, betonte Wagner. Zudem würden dann „Gutausgebildete nicht aus Mangel an Betreuungsmöglichkeiten von Beruf und Karriere abgehalten“. Wagner fügte hinzu: „Deutschland fördert die Hausfrauenehe sowieso schon massiv - vom Ehegattensplitting über Minijobs bis hin zur kostenlosen Mitversicherung in der Sozialversicherung.“

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