Bettina Röhl direkt

Was hinter der Marke Alice Schwarzer steckt

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Alice Schwarzer war der Cohn-Bendit des Feminismus

Ja sie, die junge Alice, hatte ihre Simone im Paris der frühen siebziger Jahre kennengelernt und mag sich im Glanz des berühmten Un-Paares, Jean-Paul Sartre/Simone de Beauvoir, jener gigantischen Fix-Sterne der modernen französischen Gesellschaft, selber ein bisschen für erleuchtet gehalten haben, für feministisch erleuchtet. Jedenfalls erwähnt Schwarzer ihre Simone, wann immer sie es für opportun hält und sie hält es oft für opportun. Das war die marxistisch-leninistische Phase im Leben von Schwarzer, die dort in Paris praktisch ihre Kaderausbildung im politischen Nahkampf erhielt.

Sich selbst und natürlich ihren Feminismus im veröffentlichten Raum und auch hinter den Kulissen subversiv durchzusetzen, gehörte seitdem zu ihrem Repertoire, zu ihrem Handwerkszeug. Sie war gleichsam der Cohn-Bendit des Feminismus. So wie der kleine Dany le Rouge 1968 in Frankreich mit seinem revolutionären Kampf und der kommunistischen Partei Frankreichs im Rücken den europäischen Giganten Charles des Gaulles heraus forderte, träumte Schwarzer davon, den deutschen Mann und überhaupt den Mann (das Patriarchat) quasi abzuschaffen oder mindestens überflüssig zu machen.

Seit ihren frühen Jahren in Paris machte Alice Schwarzer  Politik, in dem sie Kampagnen organisierte. Man erinnert sich an die eigentlich vom Nouvel Observateur inspirierte Abtreibungskampagne in Paris.

Die gelogene Heldentat

"Ich habe abgetrieben" aus dem Jahr 1971 im damals noch etwas bedeutenderen "Stern". Die Kampagne von 374 Frauen, die sich offen mit Name und Foto zu ihrer Abtreibung bekannten, war allerdings ein großer Fake, wie Jahrzehnte später heraus kam. Viele Frauen, die an der Kampagne teilnahmen, nicht nur Alice Schwarzer selber, hatten gar nicht abgetrieben. So eröffnete Mitte der 2000er Jahre Nori Möding, eine der Frauen auf dem Stern-Titel im Jahr 1971: „Die meisten von uns hatten gar keinen Schwangerschaftsabbruch hinter sich.“ Und die Süddeutsche schrieb 2010: .“ An der Wiege des Streits stand ein Bluff. Als Romy Schneider, Senta Berger und Alice Schwarzer zusammen mit 371 anderen Frauen im Stern bekannten "Wir haben abgetrieben!", war das bei vielen eine Lüge.(...) Alice Schwarzer bestätigt, dass sie nicht abgetrieben hatte. „Aber das spielte keine Rolle. Wir hätten es getan, wenn wir ungewollt schwanger gewesen wären".

Schwarzer selbst verkauft diese und die folgenden Kampagne gegen den §218 noch heute als ihre Heldentat und als Urknall der deutschen Frauenbewegung.

Die Politik und der Bauch

Die Kampagne "Mein Bauch gehört mir" beherrschte den Bundestagswahlkampf 1973 und ließ viele Frauen, die sonst CDU/CSU gewählt hätten, zur SPD oder zur FDP, die damals eine sehr linke Phase durchlebte (es war die Zeit der sozialliberalen Koalition) wechseln. Schon damals lässt sich ein gewisser Einfluss Schwarzers auf die große Politik, damals noch so stramm linksradikal, nicht leugnen.

Der absolute Durchbruch gelang Alice Schwarzer im Jahr 1975 mit ihrem Buch "Der kleine Unterschied", um den es ihr in Wahrheit vor allem ging und wohl nach wie vor auch geht. Darin erzählte sie, ganz außer sich vor Glück, von einer Operation, die den "kleinen Unterschied" zwischen Mann und Frau bedeutungslos gemacht hätte. Konkret bejubelte sie das unmenschliche Menschenexperiment des amerikanischen Sexologen John Money, der die Kastration eines kleinen Jungen, bekannt unter dem Namen "David Reimer" betrieb, um diesen Jungen, der eigentlich Bruce hieß, mit allerlei Operationen, Hormonbomben und vielen Lügengeschichten in ein Mädchen bzw. in eine Frau zu verwandeln. Money wollte damals beweisen, dass es in höherer Wahrheit keinen Unterschied zwischen Mann und Frau gäbe und dass das Geschlecht beliebig und sozial anerzogen wäre. Es handelte sich um eines jener Zwillingsexperimente, mit denen sich im Laufe der Menschheitsgeschichte schon wiederholt zweifelhafte Forscher in zweifelhafter Absicht beschäftigt haben.

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