Moderator: Aber Frau Ök, Herr Murkel, Sie reden doch seit 30 Jahren im großen Energiekonzert mit. Da müssen Sie doch Träume und Visionen haben und vor allen Dingen natürlich konkrete Konzepte.
Herr Angie Murkel: Wenn ich jetzt einspringen darf. Nehmen sie das Rein und Raus und noch mal Rein und Raus, ich spreche von der Atomenergie. Da haben wir schon sehr viele Konzepte gehabt und nicht keines, wie sie es unterstellen. Das Problem ist, dass sich in der Politik immer alles ändert. Und gute Politik heißt, dass man auf neue Entwicklungen flexibel reagiert. Nehmen sie das Raus aus der staatlichen Stromversorgung und das Rein in die privatisierte Stromversorgung. Jetzt wird die noch kaum abgeschlossene Privatisierung wieder rückgängig gemacht. Die Förderung privater Investitionen in Windräder und Solaranlagen ließ die Strompreise steigen und die Industrien, die diese Anlagen herstellen, ins Kraut schießen. Und jetzt der Katzenjammer, die Förderung soll gedrosselt werden, die Industrien verlieren Geld und Arbeitsplätze. Und die Vollversorgung ist nicht in Sicht.
Moderator: Das sind einige sehr gute Gedanken!
Herr Murkel: Ich bin Physiker, wie die aktuell regierende Bundeskanzlerin. Mir können Sie glauben, die meisten Deutschen glauben Bundeskanzlerin Merkel. Und das liegt nicht nur daran, dass sie sich nie festlegt und immer nur mit wenigen Statements zu vernehmen ist, sondern auch daran, dass sie Physikerin ist.
Frau Ök: Nein, da muss ich widersprechen. Die SPD hat die soziale und die Grünen haben die ökologische Kompetenz und das ist viel wichtiger als etwas von Energie zu verstehen.
Herr Murkel: Ich darf doch sehr bitten, die Unionsparteien haben die Werte und die Wirtschaftskompetenz und das ist entscheidend.
Moderator: Es ist verständlich, dass Sie beide eine Warmlaufphase brauchen. So leicht ist es vielleiht gar nicht einen Wunsch beziehungsweise ein schlüssiges Idealkonzept zu formulieren, das auch wirklich tragen könnte. Wer sich solange wie Sie beide in die Energiedebatte einmischt, kann schon mal kurzfristig betriebsblind werden. Aber das Rein und Raus und Rein und Raus, also die Sache mit der Atomenergie, war doch schon ein großer Ansatz, Herr Murkel. Wollen Sie nicht einfach mit dem ultimativen, alternativlosen Energievorschlag zur Energiewende rauskommen? Konkret: Wie sieht eine gelungene Energiewende am Ende aus?
Frau Ök: Nein, wenn wir in diesem Spiel also gemeinsam im Kanzleramt sitzen, dann möchte ich an der Projektierung unseres Wunsches konzeptionell mitwirken. Es geht ja, wie sie sagten, um einen gemeinsamen Wunsch, ein gemeinsames Konzept. Ich meine die Energie ist schließlich eine wichtige Sache für jeden von uns und man könnte regelrecht sagen, dass Wirtschaft, also das wirtschaftliche Wohlergehen hierzulande und auf der Welt von bezahlbarer Energie abhängen. Und dabei fällt mir ein, dass wir es unseren Kindern und Kindeskindern schuldig sind die Energiegewinnung umweltschonend zu gestalten.
Die Energiewende und der Sand im Getriebe
Der Netzausbau ist weit hinter dem Plan zurück. Die Betreiber der teuren Offshore-Windsparks in Nord- und Ostsee sind verärgert, dass es immer neue Verzögerungen gibt, beim Energiesparen gibt es kaum Fortschritte, die Debatte über die Ökostromförderung entwickelt sich zum Dauerbrenner - die Liste ließe sich fortsetzen. Die Regierung muss an zahlreichen Stellschrauben drehen, ein abgestimmtes Konzept ist in vielen Bereichen aber noch nicht erkennbar.
Der Ausbau der erneuerbaren Energie liegt nicht nur im Plan, er übertrifft sogar die Erwartungen. Im ersten Halbjahr 2012 machte Ökostrom erstmals mehr als 25 Prozent am deutschen Strommix aus, insgesamt wurden knapp 68 Milliarden Kilowattstunden ins Stromnetz eingespeist. Die Windkraft hat mit 9,2 Prozent den größten Anteil, vor der Bioenergie mit 5,7 Prozent. Der Anteil der Solarenergie hat sich binnen Jahresfrist fast verdoppelt und liegt nun mit 5,3 Prozent auf dem dritten Platz, vor der Wasserkraft mit vier Prozent.
Der Anstieg der erneuerbaren Energien kann für die Stromkunden teuer werden. Wenn mehr Ökostrom produziert wird, steigt auch die Umlage zur Förderung der Energie aus Sonne, Wind oder Wasserkraft, die über den Strompreis gezahlt wird. Diese ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt und liegt aktuell bei 3,59 Cent pro Kilowattstunde. Das bedeutet für einen Durchschnittshaushalt rund 125 Euro Zusatzkosten pro Jahr. Der Aufschlag dürfte sich nun deutlich erhöhen. Spekuliert wird bereits über einen Anstieg auf 5,3 Cent zum Jahreswechsel, was die Kosten für einen Durchschnittshaushalt auf 185 Euro hochtreiben würde.
Das ist noch offen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) warnt immer wieder, dass hohe Strompreise die Wettbewerbsfähigkeit gefährden könnten. Er fordert deshalb eine Reform der Förderung. Die Regierung hat jedoch erst 2011 eine Reform des EEG auf den Weg gebracht, die Anfang 2012 in Kraft trat und bei der Solarförderung nochmals verändert wurde. Außerdem ist der Strompreis viel stärker gestiegen als die Ökoenergieförderung. Umweltschützer halten mangelhaftes Energiesparen und pauschale Befreiungen für die stromintensive Industrie für die eigentlichen Preistreiber.
Neben dem Ausbau der Windkraftanlagen an Land gilt der Ausbau der Offshore-Windenergie, also der Windkraftanlagen im Meer, als wichtiger Pfeiler der Energiewende. Bis zum Jahr 2020 sollen vor den Küsten Windenergieanlagen mit einer Kapazität von 10 000 Megawatt zur deutschen Stromerzeugung beitragen. Das sind ungefähr 2000 Windkraftwerke. Gegenwärtig arbeiten in der Nordsee aber erst 28 Anlagen mit 140 Megawatt Leistung. Dazu kommen noch 21 kleinere Windkraftwerke in der Ostsee - macht zusammen gerade einmal 180 bis 190 Megawatt.
Das größte Problem ist nach wie vor die Anbindung der Anlagen in Nord- und Ostsee an das Festlands-Stromnetz. Zudem reichen die Leitungen an Land nicht für den Weitertransport des Windstroms in den Süden Deutschlands. Die Stromerzeuger sehen wegen der Verzögerungen beim Netzanschluss inzwischen die ganze Energiewende in Gefahr. Sie verlangen dringend Klarheit, wer dafür haftet, wenn die Windparks stehen, aber nicht ans Netz gehen können. Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) haben vorgeschlagen, dass die Verbraucher die Kosten für Verzögerungen über den Strompreis mittragen sollen. Rösler hofft auf eine endgültige Regelung noch im Sommer.
Für die Energiewende werden laut Bundesregierung 3800 Kilometer an neuen Stromautobahnen benötigt. Weitere 4400 Kilometer des bestehenden Netzes sollen fit gemacht werden für die schwankende Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie. Die Netzbetreiber haben einen Entwurf für einen Netzentwicklungsplan vorgelegt, bis Mitte August soll eine zweite Version fertig sein. Die Bundesnetzagentur verlangt nun, der Ausbau müsse viel schneller gehen. Rösler fordert deshalb bereits, vorübergehend Umweltstandards außer Kraft zu setzen, so dass zum Beispiel bei Klagen gegen den Bau von Leitungen eine Gerichtsinstanz ausreicht.
Herr Murkel: Das habe ich schon immer gewusst und ich habe es auch schon oft gesagt: auf die Umwelt kommt es an.
Ök und Murkel gemeinsam: Die Umwelt. Das ist der Schlüssel! Unser Wunsch muss die Umwelt berücksichtigen UND den steigenden Energiebedarf der Menschen decken!!!
Ök: Also Herr Murkel, an der Stelle möchte ich mich entschieden von Ihnen absetzen. Noch wichtiger als die Energiegewinnung ist für unseren Wunsch, den wir hier äußern dürfen, das Energie-Einsparen. Es geht darum den Energieverbrauch zu drosseln.
Murkel: Ach, Frau Ök, Sie nun wieder! Energie einsparen. Das segelt bei mir im Kopf unter Energieeffizienz. Das ist ein alter Hut! Da sagen Sie überhaupt nichts Neues!
Ök: Unter uns gesagt, die Stromnetze müssen sozialisiert werden.