Bettina Röhl direkt

Gott beschütze die Gesellschaft vor ihren Minderheiten

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Blaublüter und Grünblüter

"Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch"
Begleitet von rund 200 Sympathisanten zogen die Grünen vor 30 Jahren in den Bundestag ein. Unter ihnen waren die Abgeordneten Gert Bastian, Petra Kelly, Otto Schily und Marieluise Beck-Oberdorf (von links nach rechts). Der Bundestag war völlig unvorbereitet auf diese neue Art der Politik. Quelle: dpa
Zwei Tage nach dem 5,6-Prozent-Erfolg der Grünen bei der Wahl am 6. März 1983 kamen die 27 Abgeordneten erstmals zu einer Sitzung zusammen. Der Konferenzsaal des Abgeordnetenhauses am Bonner Tulpenfeld war viel zu eng. Auch Basisvertreter und Nachrücker waren dabei, nach zwei Jahren sollten die frisch gewählten Abgeordneten wieder aus dem Parlament hinausrotieren. Quelle: dpa
Trotz Ermahnungen der politisch Etablierten zu ordnungsgemäßer Kleidung dominierten Strickpullis und Zauselhaare. Nur eine weibliche Abgeordnete erschien mit Anzug und Krawatte. Einige brachten Strickzeug mit in den Bundestag, andere erschienen mit Blumentöpfen zur ersten Sitzung. Quelle: dpa
Auch Blumen gießen gehörte in den Anfangsjahren dazu – hier streng beobachtet von Otto Schily (rechts) und der amüsierten SPD-Politikerin Ingrid Matthäus-Maier. Über den fehlenden Platz für die Neuparlamentarier verhandelten die Grünen-Fraktionsvorständler Petra Kelly und Otto Schily sowie Fraktionsgeschäftsführer Joschka Fischer mit Bundestagspräsident Richard Stücklen. Die alteingesessenen Parteien zeigten sich skeptisch gegenüber den Neulingen. Helmut Kohl hielt die Grünen nur für eine zwischenzeitliche Episode. „Zwei Jahre gebe ich denen, dann gehen sie Mann für Mann zur SPD über“, sagte er. Quelle: dpa
Doch die Grünen blieben. Schon früh setzten die Grünen themenpolitische Akzente, mit der sie die ganze Republik umkrempelten. Sie sprachen sich nicht nur früh gegen Atomkraft und für den Umweltschutz aus, sondern forderten damals schon gleiche Rechte für Homosexuelle, eine multikulturelle Gesellschaft und die Abschaffung der Wehrpflicht ein – alles Themen, die bis heute auf der Agenda stehen. Waltraud Schoppe (Mitte) sorgte mit ihrer ersten Rede gar für Entsetzen. „Wir fordern Sie alle auf, den alltäglichen Sexismus in diesem Parlament einzustellen.“ Ein Satz, der ob der Sexismus-Debatte auch 30 Jahre später noch aktuell ist. Quelle: dpa
Zu den ersten Abgeordneten zählten auch Petra Kelly (links, mit Blumen) und Marieluise Beck-Oberdorf (rechts). „Auch wenn wir uns antiautoritär gaben, so hatte doch dieser altehrwürdige Plenarsaal etwas Respekt einflößendes“, sagte Beck-Oberdorf in einem Interview mit tageschau.de. Trotzdem habe es das Gefühl gegeben, man sei keine „normale“ Partei. Quelle: dpa
Grünen-Gründungsmitglied Kelly, hier mit dem damaligen SPD-Vorsitzenden Willy Brandt, gehörte zu den Ikonen der grünen Anfangsjahre. Sie prägte zum Beispiel den Ausdruck der „Anti-Parteien-Partei“ und der „Instandbesetzung des Bundestages“. Sie setzte sich besonders für Frieden und Menschenrechte ein. Noch mehr Beachtung als ihr Tun fand ihr Tod. Ihr Lebensgefährte und Mitstreiter Gert Bastian erschoss sie 1992 im Schlaf – und tötete sich selbst ebenfalls. Quelle: dpa

Soweit so gut. Die Realität hat eine grausige und gruselige Fratze und sie ist brutal und menschenverachtend. Der neue Adel, die neue adelige Minderheit, die man, um der Verwechslungsgefahr zu entgehen, besser nicht mehr die Blaublüter, sondern die "Grünblüter" nennen sollte, sind äußerlich leider nicht mehr so auf Anhieb als privilegierte Unterdrücker zu erkennen. Hier hier mal ein bisschen Schluffi-Outfit, dann plötzlich mit gebürsteten und geföhnten Haaren und Schlips und Kragen - siehe etwas die Prototypen Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident von Baden-Württemberg oder der neue Co-Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, im Bundestag. Oder auch der frühere Rockerverschnitt Joschka Fischer, der sich 1998 mit schwarzem Muskel-T-Shirt ins Auswärtige Amt wählen ließ und tags drauf mit Schlips und Kragen die Bundesrepublik in den ersten Krieg ihrer Geschichte schickte; man erinnert sich an die damals virulenten Zerfallserscheinungen von Ex-Jugoslawien.

Die Grünblüter sind zweifelsfrei eine verfilzte, vercliquete, aggressive, bis zum Anschlag ideologisierte und oft genug brutal und menschenverachtend agierende Minderheit. Sie dominieren dieses Land gerade so wie ein Puppenspieler seine Figuren an Fäden tanzen lässt. Die Grünblüter finden sich in einer Partei, die sich zufällig die Grünen nennt mit dem lächerlichen Appendix Bündnis 90, aber sie finden sich auch in allen anderen Parteien, ja selbst in den Gruppierungen links - und rechtsaußen. Allerdings sind nicht alle förmlichen Mitglieder der Grünen oder grünen Wähler oder deren Unterstützer, zwingend Grünblüter. Es gibt viele Spielfelder, auf denen die Grünblüter die Gesellschaft im Schwitzkasten halten und auf denen sie die Menschen so verwirren, dass sie ihnen aus der Hand fressen.

In diesem Text soll es also um das Spielfeld des Minderheitenschutzes gehen. Wenn Du wirklich Übles anrichten willst, verkaufe es als ein im Namen des Guten verfolgtes Ziel. Massen-und Völkermord wurde in der Menschheitsgeschichte schon unter dem Begriff der Säuberung oder der Volkshygiene an den Mann gebracht. Krieg wurde regelmäßig als höherer Friedensdienst vor allem vom Aggressor verkauft und die untergegangene DDR war entstanden, weil Stalin einer kleinen Kommunistenclique in Ostberlin vorgeblich zu Hilfe geeilt war. Minderheitenschutz klingt gut und könnte auch gut und nur gut sein, wenn mit dem Minderheitenschutz nicht so viel Schindluder getrieben würde. Minderheitenschutz wäre eine gute Sache, wenn vermeintlich oder tatsächlich unterdrückte Minderheiten nicht für eigene politische Zwecke der handelnden, machtbesessenen Akteure instrumentalisiert und missbraucht würden.

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