Gabriel und seine Verhandlungsmannschaft trumpfen in den Koalitionsverhandlungen immer wieder lautstark auf, dass die von ihnen herbei gesehnte große Koalition prägend eine sozialdemokratische Handschrift haben müsste. Was allerdings "sozialdemokratisch" bedeuten könnte, erschließt sich nicht. Noch am ehesten könnte man auf den Gedanken kommen den Mindestlohn, den Merkel bisher ablehnte, dem sie aber inzwischen schlank zugestimmt hat, als eine typisch sozialdemokratische Forderung anzusehen.
Konkret ist ein Mindestlohn von 8,50 Euro eine Forderung, die sinnvoll scheint. Allerdings: Ist es wirklich sozialdemokratisch und gerecht einem Mindestlohn-Empfänger in München weniger Netto vom Brutto zuzumuten als einem Mindestlohnempfänger in der Uckermark? Wer die deutlich höheren Lebenshaltungskosten in München von seinem schmalen Mindestlohneinkommen zu tragen hat, hat am Ende ungerechter und unsozialdemokratischerweise weniger frei verfügbares Geld in seinem Portemonnaie als sein Kollege in der Uckermark. Diese bekannte Tatsache ist der SPD (und nun auch der CDU) egal. Die SPD setzt darauf, dass die Wähler nicht so genau nachdenken und die Forderung nach einem flächendeckendem Mindestlohn von 8,50 Euro für pure Sozialdemokratie erachten.
Da ist das deutsche Beamtenrecht, wen wundert es, deutlich sozialdemokratischer: Die Beamtenbesoldung kennt nämlich den sogenannten Ortszuschlag. Ein Beamter, der nicht arbeitet, um Geld zu verdienen, sondern Geld bekommt, damit er arbeiten kann (Alimentationsprinzip) muss nach der Logik der Sache in Hamburg ein bisschen mehr Geld bekommen als in einem entlegenden Landkreis im benachbarten Schleswig-Holstein. Das scheint der SPD unnötig kompliziert zu sein. Sie haut einfach den flächendeckenden, überall gleichen Mindestlohn raus und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Alle Kritik in dieser Richtung ist bisher an der SPD abgeperlt.
Doppelpass oder keine Koalition?
Was hat Homosexualität mit Sozialdemokratie zu tun? Nichts. Was hat das Adoptionsrecht der Homosexuellen mit Sozialdemokratie zu tun? Nichts. Was hat das Wohlergehen von adoptierten Kindern, das bei allen linken Parteien notorisch zu kurz kommt, mit Sozialdemokratie zu tun? Nichts.
Man kann sich aus gutem Grund für das Adoptionsrecht aussprechen und man kann auch die Gegenargumente anerkennen. Aber welches Motiv verfolgt die SPD, die politische Entscheidungen, auf die nicht nur die Deutschen, sondern die gesamte Welt blicken, an das Adoptionsrecht Homosexueller zu koppeln, das im Vergleich dazu nur eine kleine Minderheit interessiert?