




Kanzlerin Merkel ist auf ihren Umzugswagen gestiegen und wirft plötzlich Kamelle unters Volk: Kindergeld, Mütterrente, Mieterschutz, überall soll es ein bisschen mehr geben. Auch für die Schwachen, die Jungen, die Alten, die Dicken und die Dünnen, die Armen und die Reichen. Ach ja, am 22.September will die Dame wieder gewählt werden und zwar ins Kanzleramt.
Demnach müsste ja eigentlich Wahlkampf sein! Das waren noch Zeiten, als Rainer Barzel und Willy Brandt sich duellierten oder Franz Josef Strauß gegen Helmut Schmidt antrat und die liberalen Fürsten Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher noch das Zünglein an der Waage spielten. Damals elektrisierte der Wahlkampf die Nation, wie es sich demokratisch gehört.
Auch Oskar Lafontaine versus Helmut Kohl garantierte verbissenen Wahlkampfspaß. Und die Kohl-Bezwinger Gerhard Schröder und Joschka Fischer versetzten die Republik, in der das Wort "Lagerwahlkampf" erst vergleichsweise spät aufgekommen war, noch einmal in einen großen Wahlkampfzauber. Erst 2005 beendete die zweite große Koalition dieses Landes unter Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier die Demokratie in der Bundesrepublik und damit eben auch den Wahlkampf, der das Ende einer laufenden Legislaturperiode kennzeichnete und der die regenerative, verfassungsmäßige Kraft gewesen war, welche das Parlament und die Regierung der nächsten Legislaturperiode gebar.
Die CDU ist zur Partei der politischen Korrektheit mutiert
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Seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2005 hat Merkel ihre Partei, die CDU, Schritt für Schritt entkernt. Auf der Parteifassade steht noch das Christen-C, dieses aber mutierte peu à peu zu einer Art Konvertiten-C. Die CDU ist, unbeschadet einzelner divergierender Meinungen innerhalb der Partei als Verein, en bloc zur political correctness konvertiert.
Die landläufige Analyse oder Beschreibung des Phänomens, dass Merkel ihre Union versozialdemokratisiert hätte und dass dies womöglich mit ihrer DDR-Vergangenheit zu tun hätte, ist ein großer Unsinn, ein großer Bluff, den Merkel vielleicht selbst initiiert hat. Und zwar deshalb, weil sie wie alle anderen Menschen in diesem Land bestens weiß, dass sozialdemokratisch ein wertvolles politisches Ticket ist, auf dem sich gut reisen lässt.