Bettina Röhl direkt

Angela Merkel - was wohl kommen wird

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Ein bombastischer Schachzug der SPD

Doch der Haltung der Nachgeborenen, die das Jahr 1968 und die 68er für die Vergangenheit halten und die von links und rechtsvon links und konservativ die Nase voll haben, muss man letztlich entgegenhalten, dass egal, wie man den Antagonismus nennt, es natürlich weiterhin den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit gibt. Wenn auch in qualitativ neuer Form. Natürlich gibt es den Konflikt zwischen arm und reich, zwischen gebildet und ungebildet und auch den zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Gesellschaften. Und natürlich gibt es auch die unterschiedlichsten Lösungsansätze für Probleme der Zeit, für die Probleme jedes einzelnen Tages.

Die SPD hat Merkel unter das Damoklesschwert der Zustimmung der SPD-Mitglieder als Bedingung für das Zustandekommen einer Koalitionsvereinbarung gestellt. Die zukünftige Regierungspolitik wird also in den Auszählungsbüros der SPD-Zentrale entschieden - quasi eine parteiische Volksbefragung. Das SPD-Verhandlungspersonal sonnt sich in seiner eigenen Bedeutung und muss gleichzeitig nicht viel tun. Das Zauberargument, dies und das und jenes kriegen wir bei unserer Basis so nicht durch, reicht für die großen und die kleinen Weichenstellungen. Und das SPD-Verhandlungspersonal verhandelt auf einem doppelten Boden; man weiß, entweder man wird Vizekanzler unter rot-schwarzer Fahne oder man wird Kanzler unter grün-rot-roter Fahne.

Die Genossen, die in früheren Zeiten glaubten, dass ihre SPD-Bäume in den Himmel wachsen würden, haben sich heute ziemlich satt auf der 25-Prozent-Marke eingerichtet und das reicht ja im Moment auch. Schließlich wissen sie, dass Grün-Rot oben schwimmt und dass ihre Regierungsbeteiligung diesmal für die CDU alternativlos ist.

Die geistige Wendehälsin Merkel, der kein Manöver Kopfschmerzen macht und deren Stolz auch dann nicht tangiert wird, wenn sie ihre Überzeugungen in den Mülleimer der Geschichte wirft und die jede rote Linie ungerührt zu überschreiten bereit ist, scheint das alles nicht anzufechten. Solange sie Kanzlerin bleibt, solange sie persönlich oben schwimmt. Merkel lacht sich häufig heimlich ins Fäustchen, wenn sie an ihr verschaukeltes Wahlvolk denkt, das sich so willig und geradezu freudig und in jedem Falle vorauseilend unterwirft und sich einer Art Selbstverleugnung anheim gibt. Merkels Macht beruht auf der Schizophrenie der konservativen Wähler, die gegen ihre eigenen Überzeugungen und Interessen wählen und handeln und sie basiert aktuell auch auf der Kleinmut der SPD-Basis, die am Ende abnicken wird, was die Parteibonzen vorgeben. Dass die SPD-Basis in Wahrheit viel schwächer ist, als ein paar kritische Stimmen zur großen Koalition vermuten lassen, ist dann doch Merkels Vorteil.

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