Jahrzehntelang gab es im Westen unter den Trendsettern, Gesellschaftsanalytikern und Zukunftsforschern, die inzwischen völlig aus der Mode gekommene Diskussion über das Wachstum der Erdbevölkerung und darüber, dass diese Erde nicht mehr als soundso viele Menschen ertragen und ernähren könnte. Der Schlachtruf hieß: Geburtenkontrolle, Geburtenkontrolle, Geburtenkontrolle und dies vor allem in der dritten Welt. Heute lässt die Politik lässt, um es flapsig auszudrücken, die Kiste einfach laufen. Das enorme Wachstum der Erdbevölkerung ist indes auf eine durchaus gespenstisch zu nennende Weise aus dem Blickfeld der Politik verschwunden. Weltweit.
Schirrmacher sagte also mit seinen beiden Bestsellern im Kern nichts Neues und vielleicht irrt er sogar, zumindest global, und Schirrmacher bietet auch keine Lösung an, die es nicht bereits gäbe. Mit seiner Aufgeregtheit und dem durchgestylten Marketing der Marke Schirrmacher und seinen ausgeprägten Netzwerkfähigkeiten in den Medien und im Kulturbetrieb schaffte es der Machtmensch Schirrmacher trotzdem einen großen Hype um seine beiden Bücher aufzubauen und das Thema auf die Agenda zu setzen. Dies allerdings in einer Weise, die die Wirkung oder die Aufmerksamkeit der beiden Buches genauso schnell verschwinden ließ, wie diese sich aufgebaut hatten.
Die fitten Rentner und die vernachlässigte Jugend
Ähnlich wie in einem Diätbuch gibt Schirrmacher den Lesern im Westen, die wie tagtäglich zu hören, mit nie dagewesenen demographischen Veränderungen zu kämpfen haben, in seinen beiden Büchern Ratschläge: Halt dich fit, sei wach, denk dich nicht alt, denk dich jung, setz Deine Interessen durch, lass dich nicht diskriminieren, lass dich nicht unterkriegen. Die Realität sieht aber so aus, dass die heutigen Rentner fit sind wie noch nie und laufend fitter werden. Die Realität ist, dass die Babyboomer, die jetzt in den Pensionsabschnitt ihres Lebens eintreten die Schirrmacherischen Ratschläge längst routiniert erfüllen. Sie sind Fitnessstudiogestählt und von Mentaltrainern von aggressive Selbstbehauptung eingestellt. Sie sind in den fetten Jahren der Bundesrepublik oder des Westens aufgewachsen und dies mit höchstem Anspruchsdenken, sie sind Urlaubs-und Freizeitroutiniers, hören auf ihre "innere Stimme" und ihren Körper und sie haben in den fetten siebziger, achtziger und neunziger Jahren unverhältnismäßig viel Geld akkumuliert, das sie in Medizin und Wellness auch investieren.
Die Politik hat sich mit einem enormem, schon brutal zu nennenden Druck auf ein Patentrezept eingestellt, das hochideologisiert und moralisch überfrachtet daherkommt. Der eigene deutsche Nachwuchs reicht als menschliche Luxusbasis, auch für Schirrmachers Babyboomer-Generationen nicht aus, also wird er an den Rand der Gesellschaft gedrängt und der "Markt" wird mit Zuwanderern, Asylanten und allem, was man an menschlichen Ressourcen akquirieren kann, geflutet und dies ganz unabhängig von auftretenden Problemen und komplizierten Realitäten. Der zahlenmäßig schrumpfende "autochthone" Nachwuchs soll die Migranten integrieren und fit machen, um den fetten, in die Jahre gekommenen deutschen Generationen ihr gewohntes Leben auch in Zukunft bieten zu können. Von der rasant wachsenden Altersdiskriminierung, die Schirrmacher populistisch als Teufel an die Wand malte, kann gar keine Rede sein. Die aktuelle Politik ist eine Diskriminierung der jungen und ganz jungen ausgedünnten Generationen, denen Schirrmacher gar kein Angebot macht.