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Bettina Röhl direkt

Intelligente Energiewende gesucht

Bettina Röhl Publizistin

Chaos und Dilettantismus beherrschen die von Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeleitete Energiewende seit zwei Jahren: Sie verordnete den Wiedereinstieg in den Ausstieg aus der Atomenergie.

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Energiewende: Woher kommt der Strom 2020?
Braunkohlekraftwerk Garzweiler Quelle: dapd
Windkraft Quelle: dapd
Geothermie Quelle: dpa
Biomasse Quelle: dpa
Wasserkraft Quelle: APN
Solarkraft Quelle: dpa
Stromleitungen Quelle: dpa

Blindwütiger Aktionismus ist die mildeste aber gleichzeitig auch realistischste Beschreibung der Merkelschen Fukushima-Wende: In vorauseilendem Gehorsam gegenüber der rot-grünen Konkurrenz trat die Kanzlerin vor zwei Jahren die Flucht rückwärts an und verordnete in einem erstaunlichen Alleingang dem eigentlich demokratisch verfassten Land ihren ganz persönlichen Wiedereinstieg in den Ausstieg aus der Atomenergie. Sie und ganz Deutschland schienen getrieben von einer sehr deutschen Hysterie in den Medien, in der Politik und auf der Straße, die auf eine sehr deutsche Weise einen nationalen Sonderweg in Sachen Energie verlangte.

Raus aus der Atomenergie um jeden Preis. Da erschöpfte sich die politische Weisheit der Kanzlerin. Wer allerdings bis eben für die Atomkraft war und, wie Merkel betonte, erst völlig überraschend bekehrt worden sei, musste sich bis dahin um die Alternativen am wenigsten kümmern.

Grüne als Energiewende-Apologeten

Die Grünen (mit ihrer SPD im Schwitzkasten) hätten sich allerdings über die alternativen Stromgewinnungsformen nun schon seit 35 Jahren vorrangig die Köpfe zerbrechen müssen. Eine Partei, die als Anti-AKW-Bewegung entstand und die als Anti-AKW-Partei wesentliche Verantwortung für die gewalttätige Exzesse - siehe auch Startbahn West - der damaligen Zeit trägt, kann sich so nicht aus ihrer Verantwortung stehlen und nach Jahrzehnten immer noch mit leeren Händen dastehen.

Die Energiewende und der Sand im Getriebe

Damals war es schick mit einem selbst gestrickten Pullover und einer kleinen Sonnenblume aus Pappe im Haar zu propagieren: zurück zu den Wurzeln, zurück zur Steinzeit. Man mag den Grünen also heute zu Gute halten, dass sie damals gar keinen alternativen Strom wollten, weil sie gar keinen Strom haben wollten und ergo nicht über die Konsequenzen der Abschaltung der Kernkraftwerke nachdachten. Zurück zur Natur, zurück zum Ackergaul, zurück zur Kerze. Joghurt statt Medizin. Das alles war schließlich furchtbar ernst gemeint.

An diese Zeiten erinnern sich die Grünen heute ungern, denn das waren in Wahrheit ja die Zeiten, in denen die maoistisch-kommunistischen Splittergruppen, die politisch Radikalen und sogar Terroristen auf den Ökozug aufsprangen, der die Linksradikalen von der militanten und fanatischen Front bis dahin nicht im Mindesten interessiert hatte. Die fundamentalistischen Grünen lieferten das Öko-Image und die Heiligkeit und die Militanten und die Splittergruppenkommunisten lieferten die Strukturen und die Realo-Machtpolitik, die sich am Ende durchsetzte. Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit lassen grüßen. Der Atomausstieg blieb als eine Art Identifikationsphallus für alle Grünen, alle Pazifisten, alle Feministen, alle Alternativen, alle Anhänger eben.

Atomkraft-Nein-Danke war eine neue Religion

Ein bisschen Selbstkasteiung, ein bisschen Ökopolizisten-Mentalität und ein bisschen Karriere machen, das war angesagt. Aber sich Gedanken darüber machen, wie eine Energiewende in konkreto technisch vollzogen werden könnte, dafür im Angesichte der Anti-Atom-Attitüde keinen Raum. Man fuhr lieber umweltbelastend nach Gorleben oder zu irgendwelchen AKWs, als dass man sich den Kopf darüber zerbrach, wie eine Atomstromfreie Welt aussehen könnte.

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