Bettina Röhl direkt

Kulturrevolution gegen ARD, ZDF und Co!

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Sie sind nicht die Verfassung oder deren wichtigster Bestandteil

Seit Jahren nervt Rundfunkrätin Andrea Verpoorten der überhebliche Tonfall und die Intransparenz öffentlich-rechtlicher Anstalten. Angesichts der GEZ-Umstellung fordert sie mehr Qualität und Kontrolle der Sender.
von Silke Fredrich

Die ÖR sind nicht die Verfassung und sie sind auch nicht deren wichtigster Bestandteil oder überhaupt ein Bestandteil der Verfassung. Sie sind Mitspieler auf dem Medienmarkt und genießen alle Rechte und Pflichten wie jeder andere Medienmacher auch. Die Privilegierungen haben eine Rechtswirklichkeit geschaffen, die unerkannterweise längst nicht mehr hinnehmbar ist.

Das Bundesverfassungsgericht urteilt über die ÖR, die mit den real existierenden aus dem Ruder gelaufenen Medien dieses Namens schon lange nichts mehr zu tun haben. Idealtypische öffentlich-rechtliche Edelmedien, in denen nur edle Menschen mit edlen Absichten und edlen Fähigkeiten den Menschen in Sachen Demokratie auf die Sprünge helfen, sie informieren, sie bilden, sie unterhalten und einfach nur glücklich machen und die dazu auch noch Vielfalt und Kreativität über das Land bringen, wären schön. Solche Medien gesetzlich und verfassungsrechtlich zu schützen wäre dann allerdings keine wesentliche Aufgabe. Die überbordenden Rechte gegenüber No-Pflichten, die die Verfassungswirklichkeit der ÖR bestimmen, sind etwas, was im Kosmos des Bundesverfassungsgerichtes entweder unbekannt ist oder übersehen wird.

Der politische Korrektheitsfunk

Wer wie die ÖR in Saus und Braus lebt, auch weil er weiß, dass ihm das Geld nicht ausgehen kann, meldet seinen aktuellen Luxus-Geldbedarf an. Und er meldet für die Zukunft den jeweils steigenden Bedarf (Inflation, neue Techniken, bessere Versorgungskonzepte usw.) an. Und er meldet einen immer höheren Bedarf. Und die staatlichen Organe und die Parlamente und die Regierungen, deren Kontrollrechte vom Bundesverfassungsgericht auch noch beschnitten werden, nicken ab und niemand will sich bei den ÖR unbeliebt machen. Was hat das mit öffentlich-rechtlichem, der Verfassung verpflichtetem Haushalten zu tun? Nichts.

Hund soll Rundfunkgebühr zahlen
Eine kuriose Zahlungsaufforderung zum Rundfunkbeitrag ist Anfang 2015 in Koblenz an einen Janosch Städtler gegangen. Doch dabei handelt es sich um einen Hund - genauer gesagt, um einen sechsjährigen Ungarischen Jagdhund, wie sein Herrchen Christian Städtler berichtet. Dabei schaue Janosch gar nicht gern Fernsehen, meinte Städtler scherzend - anders als sein früherer Hund, der Tierfilme mitgeguckt habe. „Janosch will abends seine Ruhe haben.“ Bleibt die Frage, wie es zu dem Missgeschick kommen konnte. „Das hört sich sehr nach einem Scherz an“, zitierte die „Rhein-Zeitung“ einen Sprecher des Beitragsservices. Angemeldet worden sei das Tier im Internet auf der Seite rundfunkbeitrag.de - vermutlich von einem Witzbold. Quelle: dpa
Auch Tote stehen auf der GEZ-Fahndungsliste: Schon im Jahr 2009 bekam der Rechenmeister Adam Ries, besser bekannt als Adam Riese, Post von der GEZ. Das Adam-Ries-Museum in dessen ehemaligem Wohnhaus im sächsischen Annaberg-Buchholz erhielt ein Schreiben, das den Mathematiker aufforderte, seine Rundfunkgeräte anzumelden. Allerdings war Ries bereits am 30. März 1559 gestorben, also vor gut 450 Jahren. Die Berichte zu der Posse haben das Museum damals sogar im Ausland bekannt gemacht - das fand der Chef des Adam-Ries-Bundes, Rainer Gebhardt, noch ziemlich gut. Erst ein klärender Anruf der Museumsdirektion konnte die Gebührenfahnder davon überzeugen, dass bei Adam Ries nichts mehr zu holen war. Diese wertvolle Information hat die Umwandlung der GEZ in den ARD-ZDF-Deutschlandradio-Beitragsservice offensichtlich nicht überdauert: Denn Anfang Februar ist beim Adam-Ries-Museum wieder Post eingegangen. In dem Schreiben wurde "Herr Adam Ries" aufgefordert, für das erste Quartal dieses Jahres 53,94 Euro an Rundfunkgebühren zu entrichten. Der Verein, der das Museum betreibt, habe höflich geantwortet, dass maximal 17,97 Euro fällig sein dürften - wegen der Gemeinnützigkeit von Verein und Museum, teilte Gebhardt mit. Diesmal findet er den Vorfall weniger lustig. "Wir wollen als seriöses Museum wahrgenommen werden", sagte er. Quelle: Gemeinfrei
Bei ihrer Jagd auf Schwarzseher macht die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) keine Kompromisse. So forderte sie 2003 von einer „Frau Walburga ST“ im Münsterland unter Androhung von 1000 Euro Bußgeld ultimativ die Entrichtung von Rundfunkgebühren. Jedoch handelte es sich bei der vermuteten Schwarzseherin um die Heilige Walburga, Schutzpatronin einer katholischen Kirchengemeinde. Der Pfarrer der Kirche schrieb zunächst noch belustigt einen Antwortbrief im Namen der Schutzpatronin: „Ich - um 710 geboren, da es noch keine Radio- und Fernsehgeräte gab - kann ja verstehen, dass man in Zeiten knapper Kassen jedem Hinweis nachgehen muss, wo noch was zu holen ist. Aber dass Sie dabei nicht einmal vor der Kirche und den Heiligen Halt machen, stimmt mich doch ein bisschen traurig.“ Ein Jahr war Ruhe, dann forderte die GEZ von Frau Walburga ST 1242,82 Euro für den Betrieb eines alten Videogeräts im örtlichen Pfarrheim. Quelle: dpa
In München forderte die GEZ einen toten Dackel auf, für seinen Fernseher zu zahlen. 2010 flatterte der ehemaligen Besitzerin des bereits vor fünf Jahren verstorbenen Hundes ein Bescheid ins Haus. Die GEZ entschuldigte sich für die Panne und begründete sie damit, dass der Name des Hundes, "Bini", nicht als Haustiername erkannt worden sei. Zudem würden Besitzer oft den Namen ihres Haustiers etwa bei Gewinnspielen angeben - über Adresshändler landeten die Daten dann bei der GEZ. Quelle: dpa
frau spielt mit baby Quelle: dpa
Auch Dichter Friedrich Schiller war nicht vor einem GEZ-Schreiben gefeiht. Die "Dresdner Morgenpost" berichtete 2008, dass die GEZ Mahnbriefe an die sächsische "Friedrich Schiller"-Grundschule schickte. Die Briefe waren an "Herrn Friedrich Schiller" addressiert; in der Schule hielt man es zunächst für einen schlechten Scherz und antwortete der Zentrale, dass Schiller seit 200 Jahren tot und nicht mehr in der Lage sei, ein Radio anzumelden. Daraufhin erhielt die Schule jedoch nur ein weiteres Mahnschreiben. Quelle: dpa/dpaweb
2010 berichtete die Zeitung „tz“ von einem Brief der GEZ, der an einen Orlando Henne adressiert war. Allerdings handelte es sich bei Orlando um das Haustier eines Münchners. Der Golden Retriever war auf mysteriöse Weise in den Datenbestand der GEZ gelangt. Quelle: dpa

Der Etat der ÖR ist das Gegenteil von Verfassung. Und jetzt passierte, mit einem halben Jahrhundert Verzug, was schon immer wünschenswert gewesen wäre: Die neue Rundfunksteuer hat plötzlich den Unmut vieler Bürger erregt und einen lange schwelenden Unmut, dessen wahre Ursachen noch gar nicht erkannt sind, geweckt; der öffentlich-rechtliche politische Korrektheitsfunk hat eine große Distanz zum realen Leben vieler Bürger aufgebaut, die sich mit ihren Interessen und Problemen nicht wieder finden und oft statt politischer Information, politisch gefärbte Meinung und Faktenselektion erfahren und dafür auch noch eine Jahresteuer von über 200 Euro entrichten müssen.

Das Beitragsmodell des früheren Bundesverfassungsrichters Paul Kirchhoff hat auch immanente verfassungsrechtliche Mängel. Vor allen Dingen das Mehrfach-Abkassieren ein und desselben Bürgers, der schon als Mitglied seines Haushaltes Rundfunkgebühren zahlt, ist ausgeschlossen. Er soll nämlich nicht nur einmal, sondern gleich mehrfach zahlen, zum Beispiel als Automieter, als Drogeriemarktkonsument, als Bahnfahrer usw.

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