Bettina Röhl direkt

Winfried Kretschmann und der Bildungsplan 2015

Seite 5/5

Und wie sieht der Unterricht aus?

"Toleranz" ist zum politischen Kampfbegriff und zum Einfallstor von Ideologien geworden. Bundeswehrsoldaten dagegen darf man weiter nach Belieben diskriminieren.
von Ferdinand Knauß

Obwohl die Diskussion um den Genderteil des Bildungsplans jetzt hohe Wellen geschlagen hat, sind die Verfechter des Bildungsplans in punkto Gender nicht über das hinaus gekommen, was im Bildungsplan selber drin steht. Stereotyp wird gesagt, dass Schwulsein, Lesbischsein usw. legitime und gleichschützenswerte Lebensformen seien. Das ist es ja auch schon. Über diesen Satz geht es substanziell nicht hinaus. Der Schulunterricht, der umfangreich und über Jahre durchgegendert werden soll, hat keinen Inhalt, weil mit der Feststellung, dass beispielsweise Schwulsein in jeder Hinsicht ok sei, die Sache erledigt ist.

Aber tatsächlich geht es den Bildungsplanern eben gar nicht um das diskriminierungsfreie, perfekt akzeptierte und integrierte Leben der nicht-heterosexuellen Menschen in der überwiegend heterosexuellen Gesellschaft, sondern sie wollen hinein schlüpfen ins Schlüpfrige. Sie wollen, dass ein heterosexueller Junge beispielsweise Schwulsein zwecks Beglückung seiner eigenen Seele und der Gesellschaftsseele rollenspielartig durchlebt. So wie der schlüpfrige Sexualunterricht in Grundschulen in Berlin und andernorts, wo Sexualität in allen Spielformen in Rollenspielen gespielt, vorgestellt und dargestellt werden soll. Wenn das die Vorstellung von "in Ruhe lassen" der Menschen und der Kinder ist, dann darf an der Verständigkeit dieser Leute gezweifelt werden.

Die Kinder der 68er wollten bekanntlich nicht dazu gezwungen und genötigt werden, den Beischlaf ihrer Eltern, anderer Genossen oder Kommunemitglieder ansehen zu müssen. Und genauso müssen die heutigen Kinder ein Recht darauf haben, vor der Sexualität des Lehrers oder des Mitschülers in Ruhe gelassen zu werden. Warum verschließen die Menschen meistens die Türen, wenn sie Sex machen? Weil es eben um den Intimbereich geht.

Am sexuellen Wesen des 68ers soll die Welt genesen?

Man muss kein muslimischer, christlicher, jüdischer oder sonstiger "Fundamentalist" sein, um zu erkennen, dass das Grundgesetz die Intimsphäre des Kindes in besonderer Weise vor hoheitlichen, zum Anschein edel verpackten Eingriffen schützt. Natürlich wussten die Vertreter der sexuellen Revolution, also die 68er-Männer von damals, wie easy es funktioniert, andere Menschen mit dem Thema Sex und angeblicher sexueller Freiheit zu verunsichern. Sexualität ist nun mal der verletzlichste Bereich eines Menschen und speziell des Kindes. Wer in einer Gesellschaft die sexuelle Hoheit hat, hat auch die gesellschaftliche oder staatliche Hoheit. Dieser Satz ist kaum übertrieben.

Die Grünen haben mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern ideologisch vorgelegt. Und Kretschmann will angeblich Aufklärung leisten. Stattdessen produziert dieser Bock, den man zum Gärtner gemacht hat, den hoheitlichen Missbrauch von Kindern in neuem Gewande in Gestalt seiner Bildungsreform.

Es ist wirklich misslich. Die kleinen Länder wie Finnland schneiden bei Pisa-Studien gut ab und in Deutschland, wo wir die Bildungshoheit kleiner Länder haben, murkst die Kultusministerkonferenz den Bildungseinheitsstaat herbei. Aus den dynamisierten Dauerreformen dieser Konferenz, die voll in der beschriebenen Tradition der unterwanderten Bildungspolitik steht, egal, ob ein Minister CDU, CSU, grün, rot oder sonst was ist, ist jetzt letzten Endes exemplarisch der baden-württembergische Bildungsplan hervorgegangen. Dieser Plan soll jetzt noch um die anderen Merkmale, die das Antidiskriminierungsgesetz kennt, erweitert werden. Es fehlen also noch die Berücksichtigung der Behinderten (Stichwort Inklusion), der Frauen, der Migranten, der Religionen usw.

Ganz klar: Die Bildungsplaner der beschriebenen Couleur müssen in die Schranken des Grundgesetzes verwiesen werden und ihre wahren Motive und ihre wirklichen Absichten, die entlang ihrer Ideologien über das geschriebene Werk hinaus gehen, gehören von einer freien Presse dekuvriert. Das alt bekannte Problem ist, dass Ideologen von ihrer Sache ehrlichen Herzens überzeugt sind und damit argumentationsresistent bleiben. Der Staat, ausgerechnet der Staat, den die Kretschmänner früher bis aufs Messer bekämpften, soll Orientierungshilfe bieten, also in konkreto sexuelle Orientierung vorgeben. Heute Merkel und Gabriel und morgen vielleicht Gregor Gysi und Volker Beck sollen Kindern und jungen Menschen sexuelle Orientierung geben? Geht's noch?

Anzumerken bleibt: Es gibt Regionen, Religionen, Kulturen, die vom deutschen Genderismus nicht erreichbar sind. Und ebenso wenig sind die Menschen erreichbar, die von dort hierher zuwandern und die gemeinsam mit den hier lebenden Migranten in kürzester Zeit die Mehrheit stellen werden, mindestens in den Schulen. Auf wen also haben sich die Kretschmänner eigentlich eingeschossen?

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%