




Der sich gerade, hoffentlich als vorübergehende Erscheinung, vollziehende Untergang der FDP, die sich auf ihren Liberalismus etwas zu Gute hält, könnte ein Indikator dafür sein, dass der Liberalismus nur eine verbreitete Einbildung gewesen ist, die sich jetzt erledigt hat. Eins steht jedenfalls fest: Der Freien demokratischen Partei Deutschlands ist entweder die Fähigkeit abhanden gekommen liberal zu sein und Liberalismus in Politik umzusetzen oder die Partei war, zumindest seit geraumer Zeit, keine liberale Partei mehr. Vor vier Jahren war die FDP für 14,6 Prozent der Wähler zumindest noch gefühlt eine liberale Partei. Und jetzt ist den Menschen dieses Gefühl, jedenfalls in Bezug auf die FDP, abhanden gekommen.
Liberalismus heißt Mut
Liberalismus, das heißt Mut und Mut zur Wahrheit, die man nach besten Wissen und Gewissen sucht, wohl wissend, dass man sie nie ganz und schon gar nicht ganz objektiv finden wird. Liberalismus ist Streitkultur und für die braucht man eben Mut und nicht Anpassung. Liberalismus heißt, was das Subordinationsverhältnis Staat/Bürger anbelangt, so wenig Subordination wie möglich, so wenig Staat wie möglich. Soviel Autonomie wie möglich, soviele Chancen und individuelle Entfaltungsmöglichkeiten wie es irgendwie geht. Das ist die eine Seite des Liberalismus.
Die andere, heutzutage weit wichtigere Seite des Liberalismus, der sich nicht auf seinen historischen Meriten ausruhen kann, ist eine außerordentlich komplexe Angelegenheit. Liberalismus heißt nämlich Gedankenfreiheit auch gegenüber den anderen Bürgern, gegenüber der Gesellschaft und gegenüber jeder Kraft, Strömung, Haltung, die in der Gesellschaft relevant ist. Es hilft nichts. Eine Partei wie die FDP ist dem endgültigen Untergang geweiht, wenn sie die Auseinandersetzung mit den gefährlichen und monströsen Ungeistern namens Mainstream, politische Korrektheit und Zeitgeist vermeidet statt den offensiven Streit mit diesen Geißeln der Menschheit zu suchen.
Wenn die FDP bisher verkannt haben sollte, dass sie für viele bürgerliche Wähler, die nicht so gern die Union wählen wollten, nur die Alternative zur Union war, dann wäre es jetzt Zeit diesem Selbstbetrug ins Auge zu sehen. Viele bürgerliche Wähler suchen eine Alternative zur Union, aber sie suchen eine, die diesen Namen verdient. Die Wähler suchen eine Alternative mit Substanz.
Der Substanzverfall bis zur Substanzlosigkeit, der seit langem bei der FDP zu beobachten ist, ist das alles erdrückende Problem der FDP, die von alter Substanz und alten Meriten lebte.