Angela Merkel kann auf knapp acht Jahre als Regierungschefin zurückblicken, seit November 2005 steht die CDU-Politikerin an der Spitze Deutschlands. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat nun die Wirtschaftsreformen der Kanzlerin genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist eine Watsche für schwarz-gelb: Denn ihre besten Zeiten in Sachen Wirtschaftspolitik hatte Angela Merkel in der großen Koalition.
So fällt die Bilanz denn auch mit Licht und Schatten aus. Als Regierungschefin ihrer schwarz-roten und schwarz-gelben Kabinette habe Merkel etwa beim Euro-Krisenmanagement und der Haushaltskonsolidierung mit einem klaren, verlässlichen Kurs punkten können, teilte das Institut mit. Die Weiterentwicklung der Reformagenda sei dabei aber auf der Strecke geblieben. "Insgesamt schneidet Schwarz-Rot besser ab", sagte IW-Direktor Michael Hüther und zog den Vergleich zur aktuellen Koalition von Unionsparteien und FDP.
Die IW-Analyse stuft auch die Rücknahme einzelner Sozial-Reformen als „bedenklich“ ein. „Besonders schwer wiegt die Energiewende, die auch zwei Jahre nach Ausrufung keine realistische Umsetzungsperspektive hat“, sagte Hüther. Dies bedrohe den Industriestandort. Auch die Anhebung der Mehrwertsteuer und die Erhöhung der maximalen Zahldauer für das Arbeitslosengeld I wertet die Analyse als Rückschlag.
Die Analyse hebt lobend die Senkung der Arbeitslosenquote auf 5,5 Prozent hervor – damit wurde sie zwischen den Jahren 2005 und 2012 halbiert. Auch das Haushaltsdefizit von minus 3,3 Prozent in 2005 konnte abgebaut werden. Zudem sei die Wettbewerbssituation der Unternehmen durch die Senkung des Rentenbeitrags und die hiermit verbundene Senkung der Lohnnebenkosten gestärkt worden.
"Merkel verdankt Arbeitsmarkterfolge der Regierung Schröder"
Positiv wertete das IW, dass unter Merkel das Potenzialwachstum der deutschen Wirtschaft von 0,8 Prozent wieder auf 1,5 Prozent verdoppelt werden konnte. Das Potenzialwachstum ist eine geschätzte Größe bei der die langfristige Veränderung des Bruttoinlandsprodukts bei normaler Auslastung der Produktionskapazität prognostiziert wird. Es ist nicht identisch mit dem realen Wirtschaftswachstum.
Allerdings warnte Hüther, sich damit zufrieden zu geben. Es gebe durchaus Stellschrauben, etwa bei Bildung, Innovationen, Arbeitszeit, mit denen diese Quote noch für die Zukunft gesteigert werden könne. Dann könnte das Potenzialwachstum von derzeit eineinhalb Prozent in Richtung zwei Prozent oder gar 2,5 Prozent gesteigert werden.
Hüther widersprach damit indirekt Finanzminister Wolfgang Schäuble. Der hatte gerade am Rande der Frühjahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und dem G20-Treffen Ende letzter Woche gewarnt, es sei unrealistisch, in den kommenden Jahren von Europa und Deutschland noch hohe Wachstumsraten zu erwarten. Dagegen spreche die Alterung der Gesellschaft ebenso wie die sinkende Bevölkerungszahl. Wachstumstreiber in der Welt müssten in den nächsten Jahren die Schwellenländer sein.
Der Gesamtbefund des IW zur Kanzlerschaft Merkels lautet: "durchwachsen - allerdings mit etwas mehr Licht als Schatten". Merkels Arbeitsmarkterfolge allerdings seien "zu einem guten Teil auf die Hartz-IV-Reformen der Regierung Schröder" zurückzuführen. Als großes Risiko für die Zukunft wertete das Institut die Gefahr, dass der Reformeifer in Deutschland erlahme und bereits vorgenommene Reformen wieder zurückgefahren würden.
Insgesamt habe sich das Reformtempo der Regierung Merkel in den vergangenen deutlich verlangsamt. Nach der Bundestagswahl müsse unter anderem eine tiefgreifende Steuerreform auf die Tagesordnung gesetzt werden, fordert Hüther.