Bildungs-Rückstand Wegen Schulschließungen gehen Billionen verloren

Ein Schild weist an einem Tor des Friedrich-Eugens-Gymnasiums auf die Schließung der Schulanlage aufgrund der Coronapandemie hin. Quelle: dpa

Die Lerndefizite vieler Schülerinnen und Schüler wachsen – und kommen Deutschland teuer zu stehen. Der Münchner Bildungsökonom Ludger Wössmann hat kalkuliert, wie viel Wirtschaftskraft dem Land bis 2100 verloren geht.

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Die Zahlen sind nicht wirklich überraschend: Fast jeder dritte Lehrer bemängelt bei mehr als der Hälfte aller Schülerinnen und Schüler inzwischen messbare Lernrückstände. Besonders Förderschüler leiden einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung zufolge unter den coronabedingten Schulschließungen. Mehr als jede zweite Lehrkraft (54 Prozent) gibt an, bei mehr als der Hälfte der Schülerinnen und Schüler Defizite zu erkennen.

Die Umfrage bestätigt die Befunde des Münchener Bildungsökonomen Ludger Wössmann, der bereits im Juni 2020 mehr als 1000 Eltern befragen ließ. Danach halbierte sich die Zeit, in der sich Schülerinnen und Schüler täglich mit schulischen Dingen beschäftigten, während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 von 7,4 auf 3,6 Stunden.

Mehr als ein Drittel der Schüler und Schülerinnen habe damals höchstens zwei Stunden am Tag gelernt, drei Viertel höchstens vier Stunden. Der Rückgang war unter Akademiker-Kindern ähnlich groß wie unter den anderen Kindern und fiel bei Mädchen geringer aus als bei Jungen. Gleichzeitig stieg die mit wenig förderlichen Tätigkeiten, also mit Fernsehen, Computerspielen und dem Smartphone verbrachte Zeit von 4,0 auf 5,2 Stunden täglich.

Darüber, wie groß die Lernverluste tatsächlich sind, schreibt Ludger Wössmann in einem Beitrag für die WirtschaftsWoche, gebe es „in Deutschland keine Daten“. Eine Studie aus den Niederlanden zeige aber, „dass die achtwöchigen Schulschließungen dort zu einem Verlust an Testleistungen geführt haben, der eins zu eins der Anzahl der geschlossenen Wochen entspricht.“ Dieser Lernverlust von rund 20 Prozent eines Schuljahres dürfte Wössmann zufolge „in Deutschland noch weit umfangreicher ausgefallen sein, weil die Schulschließungen länger andauerten und weil unser Nachbarland eine weit bessere Infrastruktur für digitales Distanzlernen aufweist“.

Und wie hoch sind die langfristigen Kosten der Schulschließungen? Auch darauf wagt Wössmann eine Antwort: „Die vorliegende Evidenz legt nahe, dass für den Einzelnen – über das gesamte Berufsleben gerechnet – im Durchschnitt mit einem rund drei Prozent geringeren Erwerbseinkommen zu rechnen ist, wenn ein Drittel eines Schuljahres verloren geht.“ Auch für die Volkswirtschaft insgesamt müsse man „mit langfristigen Wachstumsverlusten“ rechnen, so Wössmann, genauer: „mit einer durchschnittlich 1,5 Prozent niedrigeren Wirtschaftskraft bis zum Ende des Jahrhunderts. Das entspräche in Deutschland etwa 2,5 Billionen Euro“.

Mehr zum Thema: Den vollständigen Gastbeitrag von Ludger Wössmann lesen Sie hier.

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