Bildungsmanager Was den idealen Schulleiter ausmacht

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Manager: Volker Masuhr leitet seine Grundschule als

Endlich kann Volker Masuhr beweisen, wovon er seit jeher überzeugt ist. Kinder mit und ohne Einschränkungen sollen ohne Probleme miteinander lernen könne. „Inklusion funktioniert“, sagt Masuhr selbstbewusst. Als er hört, dass für die Waldschule in Flensburg ein neuer Rektor gesucht wird, ergreift der gelernte Sonderpädagoge die Initiative. „Ich wollte unbedingt eine Regelschule leiten“, sagt Masuhr – um zu zeigen, wie Inklusion im Alltag gelingen kann.

Über zehn Jahre ist das jetzt her. Seitdem hat Masuhr mit seiner Grundschule, in der jahrgangsübergreifend gelernt wird, so ziemlich alle Bildungs-Preise gewonnen, die man in Deutschland gewinnen kann, allen voran den Jakob Muth-Preis für inklusive Schule und den Deutschen Schulpreis. Sein Beispiel zeigt, was einen modernen Schulleiter, der sich als Bildungsmanager versteht, ausmacht. Vier Punkte.

Erstens: Persönlichkeit. Volker Masuhr hat nicht gewartet – nicht auf die Politik, nicht auf die Schulaufsicht, nicht auf die Eltern. Als er seinen Job an der Waldschule in Flensburg anfing, verließen zehn Familien aus Protest die Schule. Ein Sonderpädagoge als Schulleiter? Das war vielen Eltern dann doch nicht geheuer. Er fragte sich wieder und wieder: „Wie überzeuge ich die Eltern davon, dass unser Schulkonzept gut ist?“

Masuhr entschied sich für einen ungewöhnlichen Schritt. Er startete eine Kooperation mit einem Zirkus. Jongleure, Clowns und Akrobaten studierten gemeinsam mit den Lehrern und Schülern ein Programm ein. Die Projektkosten in Höhe von 15 000 Euro stemmte Masuhr gemeinsam mit Unternehmen. Das Projekt war ein Erfolg: Alle drei Vorstellungen waren ausverkauft. Am Ende stand sogar ein finanzielles Plus. Und die Waldschule war plötzlich als Institution mit kreativen Lehrmethoden stadtbekannt.

Besoldung von Schulleitern am Beispiel Baden-Württemberg

Hans Anand Pant von der Humboldt-Universität zu Berlin hält den persönlichen Einsatz von Schulleitern für entscheidend. „Schulleiter müssen überdurchschnittlich durchsetzungsstark und sozial kompetent sein“, sagt der Erziehungswissenschaftler und zugleich Geschäftsführer der Deutschen Schulakademie, eine Ausgründung der Robert Bosch Stiftung, die seit mehr als zehn Jahren die besten Schulen des Landes prämiert.

Zweitens: Professionalität. Volker Masuhr versteht seine Schule nicht als verlängerten Arm der Schulaufsicht oder des Kultusministeriums, sondern als „modernen Familienbetrieb“. Der 62-Jährige geht akribisch vor, kauft sich regelmäßig neuste Marketing-Fachliteratur, um seine Schule weiterzuentwickeln. „Moderne Schulleiter sind sogenannte instructional leader“, erklärt Wissenschaftler Pant. „Sie setzen auf Strategie, klar formulierte Ziele und organisierte Prozesse, um diese Ziele zu erreichen. Dabei ist das oberste Ziel, dass ihr Handeln für eine Verbesserung des Unterrichts sorgt.

Gegen die Lehrer geht es nicht

Drittens: Vision. Es ist normal, verschieden zu sein. Vor knapp 25 Jahren sagte frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker diesen Satz und warb für ein Miteinander von Menschen mit und ohne Einschränkungen. Volker Masuhr und seinem Kollegium gefiel der Gedanke so gut, dass sie ihn zu ihrem Schulmotto machten. In seinem Rektorenbüro hat Masuhr plakatgroße Ausdrucke hängen, auf denen Rektor und Kehrer niedergeschrieben haben, welche Ziele sie im Unterricht verfolgen. Beispielsweise, dass Schüler ohne Druck lernen können und Verantwortung für sich und andere übernehmen. „Wir wollen Kinder mit Haltung hervorbringen“, sagt Masuhr. Genau das braucht Zeit. Schulentwicklungsprozesse dauern zwischen fünf und zehn Jahren. „Ein Schulleiter braucht also eine Vision und Ausdauer“, sagt Erziehungswissenschaftler Hans Anand Pant.

Viertens: Überzeugungskraft. Als Volker Masuhr die Flensburger Waldschule übernahm, hatte diese noch etwas mehr als 200 Schüler. Sie galt als Problemschule, die zunehmend gemieden wurde. Es war nur noch eine Frage der Zeit bis das Thema Schließung akut geworden wäre. Der Sonderpädagoge Masuhr musste also viel Überzeugungsarbeit leisten.

Gegenüber den Eltern, denen er begreiflich machen musste, wie er die Grundschule nun umbauen werde. Gegenüber der Schulaufsicht, die ihn in seiner Arbeit nicht blockieren soll. Und gegenüber dem Lehrerkollegium, die seine Idee alltäglich im Unterricht umsetzen. „Ein Leitbild kann man nicht gegen die Lehrer entwickeln“, sagt Masuhr. Zugleich habe der Erfolg aber auch Widerstand hervorgerufen. „Es gab einige Lehrer, die sich mit der Zeit überfordert gefühlt haben, die hätten die Schule letztlich verlassen.“

Volker Masuhr will in den kommenden Jahren daran arbeiten, die Qualität zu halten. „Wir haben in einem Jahrzehnt viel erreicht, jetzt dürfen wir nicht nachlassen.“ Auch das macht den idealen Schulleiter eben aus: Er ist nie zufrieden.

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