
Als im September vergangenen Jahres der Zustrom von Flüchtlingen, vor allem aus Syrien, extrem anstieg, sahen viele Journalisten und Ökonomen in ihnen die Lösung des Problems des Fachkräftemangels.
Von Ingenieuren und Zahnärzten war viel die Rede. Dann meldeten sich andere zu Wort und machten deutlich, dass dem Großteil der Flüchtlinge selbst für einfachere Ausbildungsgänge die Bildungsgrundlagen fehlten, viele seien Analphabeten. Tatsächlich liegen allerdings noch keine repräsentativen Daten über die Qualifikationen der Flüchtlinge in Deutschland vor. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln kann dank einer langjährigen Untersuchung über das syrische Bildungssystem zumindest näherungsweise zeigen, mit welchen Kenntnissen bei den syrischen Zuwanderern zu rechnen ist.
Marie-Claire von Radetzky und Kristina Stoewe vom IW haben fünf Kategorien des Bildungsniveaus der Syrer anhand der Vorkriegssituation (Stand 2011) untersucht: Analphabetismus, Schulsystem, Berufsausbildung, Hochschulen, Geschlechterunterschiede. Zunächst ist festzuhalten, dass der syrische Staat verhältnismäßig viel in die Bildung investierte: 2011 waren es 5,1 Prozent des syrischen BIP – anteilig genauso viel wie in Deutschland.
Relativ wenige Analphabeten
Vor 2011 waren demnach rund 15 Prozent der Syrer Analphabeten. Betrachtet man die Gruppe der damals 15- bis 25-Jährigen, liegt die Analphabetenrate in Syrien nur bei 3,5 Prozent. Dazu muss man erwähnen: Auch hierzulande können 15 Prozent der Menschen nicht richtig lesen und schreiben.
Die Einschulungsquote in Syrien war in den letzten Jahren jedoch vergleichsweise hoch und lag 2011 bei 97 Prozent eines Altersjahrgangs. 1981 wurde die sechsjährige Schulpflicht eingeführt und 2002 auf neun Jahre erhöht – wie in Deutschland. Damit konnte die syrische Regierung die damals noch höhere Analphabetenrate vermutlich senken. Auch das Erlernen von Englisch oder Französisch, und damit zumindest die Kenntnis der lateinischen Buchstaben, ist in syrischen Schulen Standard. Allerdings haben seit Ausbruch des Bürgerkriegs vermutlich viele Jugendliche über einen längeren Zeitraum keine Schule besucht.
Was Flüchtlinge dürfen
Wer eine sogenannte Aufenthaltsgestattung bekommt, darf nach drei Monaten in Deutschland eine betriebliche Ausbildung beginnen. Wer geduldet ist, kann vom ersten Tag an eine Ausbildung machen. In beiden Fällen ist jedoch eine Erlaubnis durch die Ausländerbehörde nötig.
Gleiches gilt für Praktika oder den Bundesfreiwilligendienst beziehungsweise ein freiwilliges, soziales Jahr: Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach drei Monaten ohne Zustimmung der ZAV damit beginnen, wer den Status „geduldet“ hat, darf das ab dem ersten Tag.
Wer studiert hat und eine Aufenthaltsgestattung besitzt, darf ohne Zustimmung der ZAV nach drei Monaten eine dem Abschluss entsprechende Beschäftigung aufnehmen, wenn sie einen anerkannten oder vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzen und mindestens 47.600 Euro brutto im Jahr verdienen werden oder einen deutschen Hochschulabschluss besitzen (unabhängig vom Einkommen).
Personen mit Duldung können dasselbe bereits ab dem ersten Tag des Aufenthalts.
Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach vierjährigem Aufenthalt jede Beschäftigung ohne Zustimmung der ZAV aufnehmen.
Sehr schwach waren syrische Schüler allerdings im internationalen Vergleich in Mathematik. Bei der Studie TIMSS 2011, in der die mathematischen Fähigkeiten von Schülern getestet wurden, belegte Syrien im Vergleich Platz 39 von 42 Ländern. Die syrischen Schüler, von denen die meisten die achte Klasse besuchten, schnitten bei dem Test im Durchschnitt knapp 140 Punkte schlechter ab als die deutschen Schüler der gleichen Jahrgangsstufe. Man kann das Ergebnis so interpretieren, dass die syrischen Schüler den deutschen etwa fünf (!) Klassen hinterherhinken, da je 25 bis 30 Punkte Differenz etwa dem Lernergebnis eines Schuljahres entsprechen.