Bilfinger Berger Chef Roland Koch auf Politik-Entzug

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Der liebenswürdige Herr Koch

Hostessen warten bei der Hauptversammlung der Bilfinger Berger SE Quelle: dpa

Der Neue, hört man derweil im Unternehmen, sei ausgesprochen höflich, es fallen gar Worte wie "liebenswürdig" und "angenehm". Stefan Schulte, der Chef von Fraport, der Koch schon in seiner Zeit als Politiker kannte, nennt ihn eine "Persönlichkeit, die Wärme ausstrahlt".

Hat der Mensch sich verändert? Oder verändert sich einfach die Wahrnehmung, wenn die Zwangsmechanismen der Politik und der Öffentlichkeit nicht mehr wirken?

Koch schaut vergnügt in die Runde: "Sie wollen alles wissen, das werden Sie aber nicht erfahren." Es geht um seine Strategie, erst im November will er sie öffentlich machen. Den Zeitpunkt selbst zu bestimmen war ihm immer wichtig, er wollte Autor der eigenen Geschichte bleiben. Es gab Spekulationen, ob er nach Berlin kommen werde, als Superminister, zuletzt als Nachfolger von Wolfgang Schäuble. Da war Koch längst klar geworden, dass er auch als Superminister immer eine abhängige Größe von Angela Merkel bleiben würde. Sie wäre es gewesen, die seine Geschichte geschrieben hätte. Einer der Gründe dafür, dass er jetzt hier im Raum Titania sitzt und nach dem Laserpointer sucht.

Die Politik ist in die Ferne gerückt

Die Uhr wird er weiter tragen, ganz bewusst. Er kennt die Wirtschaft und ihre Spielregeln, aber er will nicht ganz in ihr aufgehen, so wie er nicht ganz in der Politik aufgehen wollte. Wie oft war er als Politiker der Einzige am Tisch, der weniger als 20000 Euro im Monat verdiente. Nun wird er zu denen gehören, die am meisten am Tisch verdienen. Auf das ihm zustehende Übergangsgeld, rund 50.000 Euro, hat er verzichtet. Geld und Statussymbole waren ihm nie wichtig. Koch ging es immer um Einfluss.

Nun spielt die Welt verrückt, die Politik laboriert am Rande der Überforderung, aber er läuft auf Baustellen herum. Erträgt er das? Er staune, wie schnell die Politik in die Ferne rücke, sagt Koch – und kann doch in einer Sekunde von null auf hundert schalten, von maintenance zur Rettung Europas. Die Aufregung hält er für leicht übertrieben. Jedenfalls seien die Staatsschulden nicht so stark gestiegen wie die Aufregung darüber, stellt er in der Kaffeepause betont gelassen fest.

Dann bricht er auf zum Kraftwerk Lippendorf bei Leipzig und nach Leuna im Chemiedreieck von Sachsen-Anhalt. Rohre, Stellwände, Kühltürme, Klärschlamm, Bilanzen, Börsenwerte, das ist jetzt seine Welt. Bei der Einfahrt auf das Firmengelände von Leuna wird Koch ungeduldig, als er dem Pförtner etwas erklären muss, er war doch neulich schon mal da. Es ist ein Moment, in dem man denkt: Seine neue Welt könnte ihm schnell zu klein werden.

Wenige Monate später, im November 2011, legt Roland Koch seine Messlatte auf: Gewinn verdoppeln. Von 8,2 Milliarden Leistung auf 11 bis 12 Milliarden im Jahr 2016. Bilfinger hat einen Großauftrag geangelt: In den nächsten zehn Jahren wird der Konzern die 1300 Gebäude der Deutschen Bank warten und renovieren. Ein Strategieprogramm wurde aufgelegt, BEST steht für "Bilfinger Berger escalates strength". Das Auslandgeschäft soll ausgebaut, die Teilkonzerne sollen enger vernetzt werden. "Kann man ambitionierter sein als wir?", fragt Koch. Das "wir" geht ihm mühelos über die Lippen. Branchendienste berichten, Koch habe Interesse an einer zweiten Amtszeit bekundet.

Februar 2012 , Mannheim, das letzte Gespräch, es findet statt in Roland Kochs neuem Büro. Neben Krokodil, Koalitionsfüllern und Fotos sieht man ein quadratisches Bild: "Wait here for further instructions". In Wiesbaden hatte es noch ein zweites mit der Aufschrift "LIEBE" gegeben. Die LIEBE ist nicht mehr da.

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