Die Impfungen gegen das Coronavirus verzögern sich weiter: Das Land Nordrhein-Westfalen verhängte am Mittwoch einen sofortigen Impfstopp in Krankenhäusern, die mit Biontech-Impfstoff versorgt werden. Der Grund: Es gibt Lieferprobleme beim Impfstoff-Nachschub, heißt es in einer E-Mail des NRW-Gesundheitsministeriums, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Der „Bonner General-Anzeiger„ hatte zuerst daraus zitiert. „Die von Biontech aktuell mitgeteilten geänderten Liefermengen machen zwingend eine Änderung der Impfplanung erforderlich“, heißt es demnach in dem Schriftstück. Ein Ministeriumssprecher bestätigte am Mittwoch die Echtheit des Schreibens.
Dadurch verzögert sich auch die Betriebsaufnahme der 53 Impfzentren in Nordrhein-Westfalen. Laut dem Gesundheitsministerium geht es hier nun erst eine Woche später los. Damit verschiebt sich der Start der Impfungen für über 80-Jährige, die zu Hause leben. Die Impfzentren in Nordrhein-Westfalen nehmen ihren Betrieb nun erst am 8. Februar auf.
Die von den Koordinierungsstellen und der Kassenärztlichen Vereinigung für den 20. und 21. Januar für Krankenhäuser und Altenheime bestellten Impfdosen, die an Mitarbeiter und Bewohner verteilt werden sollten, können dem „General-Anzeiger“ zufolge nicht mehr ausgeliefert werden. Dies gelte jedoch nur für die Erst- und nicht die Zweitimpfung. Die zweite Dosis, die etwa drei Wochen nach der ersten verabreicht werden soll, wurde schon bei bisherigen Bestellungen zurückgelegt. Bislang sind in Nordrhein-Westfalen laut dem Gesundheitsministerium rund 350.000 Erstimpfungen zum Schutz gegen das Coronavirus durchgeführt worden.
Wie sich die Corona-Impfstoffe unterscheiden
Forscher liefern sich weltweit ein Wettrennen um wirksame Impfstoffe gegen Covid-19. Alle Impfstoffkandidaten basieren auf demselben Grundprinzip: Dem Abwehrsystem des Körpers werden Teile des Coronavirus präsentiert (Antigene), auf die die Immunzellen eine Antwort (Antikörper) herausbilden und so eine Immunität gegenüber dem Krankheitserreger aufbauen.
Dabei gibt es ganz unterschiedliche Herangehensweisen, etwa, welche Antigen-Teile dem Immunsystem wie präsentiert werden. Hier stehen derzeit zwei Entwicklungslinien im Fokus:
- Impfstoffe mit Vektorviren, das bedeutet so viel wie "Träger-Viren"
- und die neuartigen mRNA-Impfstoffe.
Stand: 11. Mai 2021
mRNA-Impfstoffe enthalten Abschnitte aus dem Erbgut des Coronavirus, die sogenannte messenger-RNA (kurz mRNA), die auch als Boten-RNA bezeichnet wird. Hiervon wird eine sehr geringe Menge dem Menschen in den Muskel injiziert. Die Körperzellen nehmen die Partikel auf und entschlüsseln die enthaltene Erbinformation. Kurzzeitig produzieren sie ein sogenanntes Spike-Protein, das an der Oberfläche des Coronavirus sitzt. Es macht vereinfacht gesagt dem Immunsystem deutlich, dass hier etwas Körperfremdes zu finden ist, das es unschädlich zu machen gilt. Für dieses Oberflächenprotein bildet das Abwehrsystem also Antikörper, die es ihm bei einer späteren Infektion mit dem Coronavirus ermöglichen, den Eindringling schnell zu erkennen und sofort eine Immunantwort parat zu haben.
Studien haben gezeigt, dass hiervon keine Gefahr für den menschlichen Körper ausgeht. Die eingeschleusten Erbgut-Teilchen werden innerhalb kurzer Zeit von den menschlichen Zellen abgebaut. Sie werden nicht in die menschliche DNA eingebaut. Sobald die mRNA des Impfstoffs abgebaut ist, findet keine weitere Produktion des Antigens statt.
Die mRNA-Impfstoffe können innerhalb weniger Wochen in sehr großen Mengen hergestellt werden. Sie bringen jedoch die Herausforderung mit sich, dass sie nach derzeitigem Forschungs- und Entwicklungsstand bei extrem niedrigen Temperaturen transportiert und dauerhaft gelagert werden müssen (-20 bis -80 Grad Celsius). Deshalb werden sie vorrangig in speziell dafür ausgerüsteten Impfzentren verabreicht. Hier soll der Moderna-Impfstoff allerdings einen Vorteil haben: Laut dem Hersteller kann er bis zu 12 Stunden bei Raumtemperatur und 30 Tage im Kühlschrank (2 bis 8°C) gelagert werden.
Für vektorbasierte Impfstoffe werden für Menschen harmlose Viren als kleine Transporter zweckentfremdet – sozusagen als trojanisches Pferd. Die Viren werden so verändert, dass sie in ihrem Erbgut auch den Bauplan für einen oder mehrere Bestandteile (Antigene) desjenigen Erregers enthalten, gegen den eine Immunität (Antikörper) aufgebaut werden soll. Das Prinzip ist immer das gleiche: Die menschlichen Zellen sollen auch hier Teile des Spike-Proteins des Coronavirus herstellen, damit das Immunsystem "weiß", wen es angreifen soll.
Auch hier werden die Viren-Erbinformationen nicht in die menschliche DNA eingebaut. Nach dem Abbau der von den Vektorviren übertragenen Erbinformation findet keine weitere Produktion des Antigens statt.
Vektorimpfstoffe wurden bereits zugelassen (zum Beispiel Ebola-Impfstoffe). Die Corona-Impfstoffe der Firmen AstraZeneca und Johnson & Johnson (J&J) sind Vektorimpfstoffe. Diese haben gegenüber den mRNA-Impfstoffen den Vorteil, dass sie bei Temperaturen von 2 bis 8 Grad Celsius transportiert und gelagert werden können. Das macht ihren Einsatz in normalen Hausarztpraxen simpler. Das J&J-Präparat hat zudem den Vorteil, dass es nur einmal verabreicht werden muss. Die drei anderen bislang in Deutschland zugelassenen Corona-Impfstoffe (von AstraZeneca, Biontech/Pfizer und Moderna) müssen zwei Mal gespritzt werden.
Quelle: RKI, eigene Recherche
Auslöser für die geänderten Liefermengen des Herstellers Biontech/Pfizer sind kurzfristig angekündigte Umbauten im belgischen Abfüllwerk Puurs, die dort mittelfristig höhere Produktionskapazitäten schaffen sollen. Bund und Länder hatten die kurzfristige Information dazu kritisiert. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller mahnte mehr Berechenbarkeit bei Lieferungen an. „Das Entscheidende gerade in den ersten Wochen ist die Verlässlichkeit“, sagte der SPD-Politiker am Dienstagabend nach Bund-Länder-Beratungen in Berlin. Auf den Lieferterminen baue das System der Einladungen in die Impfzentren auf. Laut einem gemeinsamen Beschluss ist „ein Planungshorizont von sechs Wochen erstrebenswert“.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder drängte sogleich auf eine größere Produktion von Corona-Impfstoffen in Deutschland, um mehr Versorgungssicherheit zu erhalten. Indirekt warf er dem US-Konzern Pfizer vor, die USA zu bevorzugen. „Ich glaube nicht, dass eine Produktion in Amerika ausfallen würde“, sagte Söder am Dienstag. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, es werde alles getan, um allen Bürgern bis Ende des Sommers ein Impfangebot machen zu können. Dafür komme es auch auf Planungssicherheit bei Impfstofflieferungen an.
Mit den neuen Lieferplan von Biontech gehen die Länder unterschiedlich um. In Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen müssten derzeit keine Termine für nötige Zweitimpfungen nach der ersten Dosis abgesagt werden, teilten die jeweiligen Behörden mit. In Berlin könnte die Terminvergabe jedoch gestreckt werden. In Sachsen-Anhalt sind die Landkreise und Städte für Impfungen zuständig, die Stadt Halle hat beispielsweise Zweitimpfungen gesichert.
Niedersachsen plant mit Verzögerungen bei Erstimpfungen. In Bayern wurden teils Termine zur Erstimpfung abgesagt, in Rheinland-Pfalz und dem Saarland wurden manche verschoben. Weniger neue Impftermine soll es vorerst in Baden-Württemberg geben. In Bayern, Brandenburg, Sachsen, Saarland, Schleswig-Holstein und Hamburg seien zunächst keine neuen Termine zur Impfung geplant, so die jeweiligen Behörden. Brandenburg will im Lauf der Woche über den künftigen Impfumfang entscheiden. In Hamburg sei wegen schwankender Liefermengen eine sehr zurückhaltende Planung erforderlich, hieß es von der Gesundheitsbehörde.
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