Bistum Eichstätt Vermögensverwalter wollen an die Kirchen-Millionen

Kirchenfenster im Eichstätter Dom

Die katholische Kirche und das Geld – das Thema ist seit Jahrhunderten heikel. Ein bischöflicher Finanzdirektor in Eichstätt will nun eine saubere Bilanz vorlegen. Und verzweifelt daran.

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Die Sache mit dem Geld und der Kirche sei eigentlich ganz einfach, sagt Florian Bohn und fängt an zu malen. Sein feiner Filzstift skizziert ein Oval, unten ein bisschen breiter als oben, wo er noch einen kleinen Fächer draufsetzt. Er zieht die Linien nach, betont den dicken Strich zwischen Oval und Fächer, dann platziert er in die Mitte seines Objekts ein Dollar-Zeichen. Fertig ist der Geldsack. „Das ist das Vermögen unseres Bistums“, sagt Bohn, „und genau darin liegt auch das Problem.“

Florian Bohn ist Finanzdirektor der Diözese Eichstätt, erst seit Anfang April. Schon bevor er seinen Dienst offiziell antrat, musste er auf schmerzhafte Weise erfahren, was es heißt, die Ersparnisse eines Bistums zu verwalten: Ständig versucht jemand, einen über den Tisch zu ziehen. Das ist offenbar auch in Eichstätt passiert, bevor Bohn seinen Job antrat. Der Fall dürfte das Bistum 47 Millionen Euro ärmer gemacht haben. „Alle wissen, dass die Kirche viel Geld hat“, sagt er, „und dass dort nicht unbedingt die Leute sitzen, die sich besonders gut mit solchen Dingen auskennen.“ Nur Minuten nach der Veröffentlichung seiner neuen Position, berichtet Bohn, habe sich der erste Vermögensverwalter bei ihm gemeldet. 40 Anfragen über Karrierenetzwerke folgten am selben Tag. „Im Sekretariat gibt es inzwischen eine spezielle Ablage für Prospekte und Anfragen von Vermögensverwaltern und Fonds“, sagt Bohn. Alle wollen am Bistum verdienen.

Seit dem Skandal um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst vor sechs Jahren bemühen sich die Bistümer, etwas mehr Transparenz in ihre Finanzen zu bringen.

Die reichsten Bistümer sitzen demnach in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Am meisten zusammengespart hat man in München, danach folgen Paderborn und Köln. 22 der 27 deutschen Bistümer haben inzwischen von Wirtschaftsprüfern geprüfte Bilanzen vorgelegt. Dicke Zahlenwerke zumeist, die jedoch kaum etwas aussagen: zu schwammig die Posten, zu unklar die Zuordnung, zu heftig abgeschrieben der wahre Wert der Gebäude. Über den Gesamtumfang ihres Vermögens haben aber bislang nur Bamberg und Passau etwas gesagt. Ganz ohne veröffentlichte Zahlen kommen noch drei Häuser aus: Münster, Regensburg – und Eichstätt.

Kommende Woche soll sich das ändern. Dann will Eichstätt transparent werden – plant ein Zahlenwerk zu veröffentlichen, radikaler und umfangreicher als alle anderen. Eine Muster-Transparenz-Bilanz zur Imagerettung der katholischen Kirche soll es werden, vielleicht gar darüber hinaus. Es ist deshalb auch nicht irgendeine Pressekonferenz, auf die sich Bohn seit Monaten vorbereitet. Sondern irgendwie auch ein Wiederbelebungsversuch für einen schwer kranken Patienten. Über eine halbe Million Mitglieder verloren die beiden Kirchen in Deutschland allein im vergangenen Jahr– nicht zuletzt aufgrund der Finanzskandale.

Es geht also um Offenheit, Vertrauen, Glaubwürdigkeit. Das ist Bohns Mission. Das Zahlenwerk des Bistums, das seinen Bischofssitz am Ufer der Altmühl hat, soll deshalb künftig „den höchsten Standards aus der freien Wirtschaft“ entsprechen, hat sich der Vermögensverwalter vorgenommen. Entscheidungsstrukturen möchte er „so umbauen, dass keine finanziellen Alleingänge mehr möglich sind“, sagt Bohn, der viele Jahre als Finanzchef in unterschiedlichen Firmen gearbeitet hatte.
Eichstätts neue Offenheit ist kein mildtätiger Akt des Entgegenkommens, sondern geschieht aus purer Not. Als Wirtschaftsprüfer von Deloitte vor drei Jahren auf Geheiß des Bischofs die Bilanzen überprüften, fanden sie heraus, dass das Bistum 60 Millionen US-Dollar, umgerechnet 47 Millionen Euro, in Immobilienprojekte in den USA investiert hatte. Und dieses Geld ist offenbar weg. Anfang 2018 erstattete das Bistum Anzeige gegen den damaligen Vermögensverwalter und einen beteiligten Investor. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die beiden wegen des Verdachts der Untreue und Korruption. Das Ergebnis ist offen. Gerüchten aus dem Haus zufolge ist ein Sechstel des gesamten Vermögens des Bistums in Amerika versackt.

Neue Transparenz - alte Tricks

So musste sich der neue Finanzdirektor Bohn erst mal ein paar grundlegende Dinge vornehmen, als er seinen Job begann. „Wir sind gerade dabei, alle Zahlungen hier im Haus zu überprüfen“, sagt er. Gerade sei er auf eine Telefonrechnung weit über allen Marktpreisen gestoßen, die nie jemand hinterfragt hatte. „Mit der reichen Kirche, denken sich offenbar manche Geschäftspartner, kann man es ja machen.“ Aber auch intern ging es mitunter drunter und drüber. „In den ersten Tagen nach meinem Amtsantritt mussten wir erst mal grundsätzlich regeln: Wer darf hier im Hause überhaupt was unterzeichnen?“

Zum Besten der Gesellschaft

Dass die chaotischen Zustände wohl auch der Grund waren, um Florian Bohn ins Haus zu holen, erfuhr er selbst erst, als er längst zugesagt hatte. Im Februar machte das Bistum öffentlich, was passiert war, kaum vier Wochen, bevor Bohn seinen Job antreten sollte. Natürlich habe er da gezweifelt, sagt er. Und zeigt dann noch mal auf den Geldsack, um zu erklären, warum er das Angebot aus Eichstätt trotzdem annahm. Er werde, sagt der 39-Jährige, „schließlich auch älter. Älter in dem Sinne, dass man sich fragt, wofür man all das eigentlich tut im Leben.“ Mit dem Geldsack sei es schließlich so: „Ich war mein ganzes Leben lang ziemlich gut darin, das Vermögen eines Unternehmers, also eines sehr reichen Menschen, noch weiter zu vermehren. Ob das verdiente Geld für einen guten Zweck eingesetzt wurde, darauf hatte ich keinen Einfluss.“ Hier gehe es quasi um die zweite Dimension des Sacks: „Die Mittel sind da, und wir kümmern uns darum, sie zum Besten der Gesellschaft einzusetzen.“

Das allerdings behaupten und behaupteten viele. Bei der Kontrolle ihrer eigenen Arbeit hat sich die Kirche nicht nur in Eichstätt allzu lange darauf konzentriert, sich selbst des gesellschaftlichen Werts ihrer Arbeit zu versichern. Wer sich die Jahresberichte der Bistümer anschaut, muss Zahlen zwischen Hunderten Seiten mit Bildern und Kalendersprüchen suchen. Da geht es um die aufopferungsvollen Taten der Ehrenamtler, um all die Schwachen und Benachteiligten, die ohne die Arbeit der Kirchen noch schwächer und benachteiligter wären.

Kardinal Marx Quelle: imago images

Das Leitbild, sagt Carsten Frerk, „ist das einer armen Kirche, die sich das Geld für all ihre guten Taten vom eigenen Leib abspart“. Frerk, Politologe und Autor, hat sich jahrelang so ausführlich mit den Finanzen der Kirche auseinandergesetzt wie wahrscheinlich kein Zweiter im Lande – und im vergangenen Jahr damit aufgehört. Für einen Einzelkämpfer wie ihn nehme das einfach zu viel Zeit in Anspruch. Und sei letztlich frustrierend: „Echte Transparenz ist nach wie vor nicht absehbar.“

Versucht man trotzdem, aus den Geschäftsberichten herauszulesen, wie es um die Finanzen der katholischen Kirche bestellt ist, zeigt sich zum einen, dass das Alltagsgeschäft in den meisten Diözesen nach wie vor gut läuft. Nur die Bistümer Trier, Mainz, Köln und Hamburg haben zuletzt Verluste gemacht. Die anderen konnten ihre Rücklagen weiter füllen. So leistet sich beispielsweise das Bistum Augsburg derzeit eine jährliche Aufstockung der Reserven um 50 Millionen Euro. Die wichtigste Finanzquelle der Kirchen ist die Kirchensteuer. Spenden und Erbschaften spielen eine untergeordnete Rolle.

Unklarer ist die Vermögenssituation der Bistümer. Das liegt zum einen daran, dass die meisten Häuser verschweigen, was sie mittelbar über Stiftungen oder Beteiligungen besitzen. Zum anderen sind die Angaben zum Immobilienvermögen fast alle unbrauchbar, da die Objekte zum Anschaffungspreis ausgewiesen sind. Da die Besitztümer aber meist seit ewigen Zeiten bei den Diözesen liegen, sind diese Werte maßlos untertrieben. Jährliche Abschreibungen mindern den Wert weiter. So besitzt das Erzbistum München laut Bilanz 2300 komplett abgeschriebene Gebäude, die mit einem Euro bewertet sind. „Da kann man an jede getrost sechs Nullen dranhängen, um den wahren Wert der Immobilien halbwegs zu erfassen“, sagt Bilanz-Kenner Frerk.

Realistischer sind die Angaben zu Wertpapieren. Hier weisen viele Bistümer auch die Differenz zwischen Anschaffungspreis und aktuellen Werten aus. So ergeben sich beeindruckende Zahlen. Ausweislich der 22 verfügbaren Bilanzen sind die Diözesen mit 15,7 Milliarden Euro am Finanzmarkt investiert.

Wie viel man zu dieser Summe addieren muss, wenn die verbleibenden Wertanlagen aus Eichstätt noch mit in die Bilanz einfließen, dazu will Florian Bohn sich nicht äußern. Schließlich sind die Zahlen auch in der Bistumsverwaltung noch nicht bekannt. „Wir werden die Art, wie das Vermögen verwaltet wird, radikal vereinfachen“, sagt er. In Zukunft sollen in Eichstätt nur noch zwei „renommierte Unternehmen“ mit der Vermögensverwaltung betraut werden. Allein durch diese Verschlankung werde es viel unwahrscheinlicher, dass einzelne hoch riskante oder betrügerische Investments gemacht würden.

Nur wenige Geschäftsberichte offenbaren, wo das Geld des Bistums konkret angelegt ist. Die wenigen Erläuterungen erschöpfen sich überwiegend in der Schilderung der Anlagegrundsätze. Keine Waffen, kein Alkohol, keine Kondome, was auch sonst. Immerhin sechs Bistümer – Aachen, Paderborn, Köln, Mainz, Limburg und München – weisen zumindest Anlageklassen aus. Der Großteil der Gelder, zwischen 67 und 80 Prozent, liegt in festverzinslichen Wertpapieren. Daneben halten die Bistümer Aktien, zwischen 3 Prozent in Aachen und 28 Prozent in Limburg. Eine satte Portion absolute Sicherheit hat dagegen Mainz im Keller: Fünf Prozent des Vermögens sind in Gold angelegt.

Wer sich um die liquiden Mittel kümmert, verrät das Erzbistum München: Gut 1,3 Milliarden Euro liegen in Spezialfonds. Um 810 Millionen Euro kümmert sich dabei die Allianz, weitere 263 Millionen liegen bei der amerikanischen Bank BNY Mellon.

Die Veröffentlichung solcher Zahlen, sagt Finanzdirektor Bohn, sei noch der einfachere Teil seiner Arbeit. Viel komplizierter sei es, die Kleriker im Hause von der Notwendigkeit seines Jobs zu überzeugen. „Ich sage jedem hier im Haus, dass ich niemandem Geld wegnehmen möchte“, versucht es Bohn, „ich möchte nur dafür sorgen, dass die anderen hier sich darauf konzentrieren können, die Mittel der Kirche im besten Sinne zu verwenden.“

Bohns Probezeit läuft noch bis zum Herbst.

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