Die internationalen Fach- und Führungskräfte sollen laut Umfrage aber nicht nur den Fachkräftemangel bremsen, von dem sich knapp 60 Prozent der befragten Unternehmen bedroht sehen. Der zweitwichtigste Grund für die Rekrutierung im Ausland ist, über die neuen Mitarbeiter Kontakte in deren Heimatmärkte zu erlangen. Drittens wollen die Unternehmen ihr Kompetenz- und Qualifikationsprofil mit ausländischen Arbeitskräften gezielt weiterentwickeln.
Ein Beispiel dafür sind laut Kaestner Unternehmen, die digitales Marketing betreiben. „In den USA und in Asien optimieren Unternehmen ihre Onlinewerbung schon lange anhand der ausgewerteten Daten“, sagt der Linkedin-Manager. „Deutsche sind gerade erst noch dabei, Erfahrung in diesem Bereich zu sammeln.“
Zur Überbrückung holen Betriebe Fachkräfte aus dem Ausland. Vor allem die sogenannten Young Professionals mit erster Berufserfahrung und Hochschulabsolventen, die gerade von der Uni kommen, werden zukünftig häufiger im Ausland gesucht werden. Über 50 Prozent der Unternehmen mit Auslandsfokus wollen international nach diesen Gruppen Ausschau halten.
Um die junge Zielgruppe anzusprechen, passen Arbeitgeber ihre Recruiting-Kanäle an. Sie verlagern die Ansprache zunehmend in Richtung Internet. Zwar sind die aufs Ausland spezialisierten Personalvermittler und die Bundesagentur für Arbeit mit 86 Prozent immer noch die meist genutzten Ansprechpartner. Aber Unternehmen setzen vermehrt auf die eigene Karriere-Website, soziale Netzwerke und Online-Jobbörsen.
Auf Netzwerke setzen
Kontakte direkt ins Ausland über Hochschulen, Absolventenmessen oder die Außenhandelskammern werden seltener genutzt. „Für die Arbeitgeber ist es Dank Internet viel einfacher geworden, potenzielle Bewerber direkt anzusprechen“, sagt Linkedin-Manager Kaestner. Siemens etwa habe 130.000 Mitarbeiter, die auf dem Businessnetzwerk aktiv sind. „Sie alle sind Botschafter der Arbeitgebermarke, können in ihren eigenen Kontakten nach möglichen Bewerbern fahnden und dienen Interessierten als Ansprechpartner.“
Das sei auch eine Möglichkeit für Mittelständler, die häufig nicht über eine englischsprachige Karriere-Webseite verfügen. „In Zeiten mangelnder Bewerber müssen Unternehmen auf ihre Netzwerke setzen“, sagt Kaestner. Das gilt auch dann, wenn sie versuchen, ausgewanderte Deutsche zur Rückkehr zu bewegen – wie immerhin knapp 80 Prozent der Arbeitgeber.
Eine beliebte Taktik, denn: Versuchen die Unternehmen Arbeitnehmer von außerhalb der EU anzulocken, ist der Aufwand ungleich höher. Dann dauert die Rekrutierung meist neun bis 18 Monate und damit deutlich länger als bei Inländern oder EU-Arbeitnehmern.
„Da ist die Politik gefragt“, sagt Pols vom Verband Bitkom. Bürokratische Hürden müssten abgebaut, Nachzugsbedingungen für Familien vereinfacht werden. „Die Unternehmen haben längst erkannt, wie wichtig ausländische Fach- und Führungskräfte für die deutsche Wirtschaft sind.“