
Es ist Tag drei von fünf in der Hauptstadt, als Maurice Dietrich sein Besteck neben das Mittagsschnitzel legt, um ein Vorurteil abzuräumen, ein für alle Mal. „Die müssen“, sagt er, „echt viel tun für ihre Diäten.“ Die, das sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Und Dietrich – 25 Jahre, Prokurist bei der gleichnamigen Mittelständlergruppe seines Vaters – weiß jetzt, wovon er redet. Er ist schließlich so nah dran wie nie zuvor.
„Junge Wirtschaft trifft Politik“ heißt das Programm, das 150 Mitglieder aus dem Verband der Wirtschaftsjunioren und ebenso viele Parlamentarier zu ungewohnten Pärchen verkuppelt. Miteinander diskutieren statt übereinander schimpfen – so lautet die inoffizielle Überschrift. Und gleichzeitig die Hoffnung. Denn zu streiten, über Rente oder Mindestlohn, gäbe es gerade genug, besonders wenn man wie Dietrich in der Regierungsfraktion der SPD hospitiert. Gegen die Rentenpläne organisieren die Jungunternehmer in ihrer Berlin-Woche sogar eigens eine Demo.
Warum, dass erfährt die SPD-Abgeordnete Petra Crone gleich am Montag, schon wenige Minuten nach dem freundlichen Willkommens-Händedruck in ihrem Büro. Da erzählt Dietrich seiner Gastgeberin von einem seiner altgedienten Mitarbeiter, der die Tage zählt, bis die abschlagsfreie Rente ab 63 endlich Gesetz ist. Er schildert, welche Schwierigkeiten er hat, diese Lücke auf die Schnelle zu füllen.





Aber Streit? Streit klingt anders. „Kritik an unserer Politik ist in Ordnung“, sagt Crone. „Ich erkenne sie an – aber ich muss eben auch andere Sichtweisen berücksichtigen.“ Crone und Dietrich kommen aus demselben Wahlkreis Olpe/Märkischer Kreis in Nordrhein-Westfalen, Dietrichs Onkel ist in der Heimat sogar Crones Nachbar. Außerdem: Bei Problemen wie Fachkräftemangel und Landflucht sind sich die beiden sehr schnell wieder einig. Das hilft.
Die Sozialdemokratin muss sich in einem tiefschwarzen Wahlkreis behaupten, gerade deswegen will sie die örtlichen Handwerkskammern und Arbeitgeberverbände nicht alleine der CDU-Konkurrenz überlassen, regelmäßig besucht sie Betriebe. Dass die SPD keine Wirtschaftspartei sei, „stimmt doch gar nicht“, findet sie. Deshalb mache sie ja auch bei diesem Programm mit: „Weil ich die Denke noch besser verstehen will.“