
In der Affäre um den Spionagefall beim Bundesnachrichtendienst (BND) verschärft die Bundesregierung den Ton gegenüber den Vereinigten Staaten. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte am Montag bei einem Besuch in der Mongolei: „Sollten sich die Verdachtsmomente bestätigen, ist das auch politisch ein Vorgang, bei dem man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann.“ Das weitere Vorgehen hänge von den weiteren Erkenntnissen der Ermittlungen ab. Zugleich forderte er die USA auf, sich „mit ihren Möglichkeiten“ an der Aufklärung zu beteiligen.
Zu Forderungen der Opposition nach Ausweisung von amerikanischen Diplomaten aus der US-Botschaft in Berlin sagte Steinmeier in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bleibt es dabei, dass wir die Reihenfolge aufrechterhalten: Erst Klärung und dann entscheiden, was zu tun ist.“ Bislang hatte die Bundesregierung nur den US-Botschafter zum Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten.
Angela Merkel, die sich derzeit auf China-Reise befindet, zeigte sich - nach tagelangem Schweigen - nun auf einer Pressekonferenz mit dem chinesischen Ministerpräsident Li Keqiang in Peking beunruhigt über den Spionagevorwurf gegen einen BND-Mitarbeiter und sieht bei einer Bestätigung des Falles einen Vertrauensbruch des US-Geheimdienstes. Der Generalbundesanwalt prüfe den Fall. Sollte sich eine Kooperation mit dem US-Geheimdienst bewahrheiten, „handelt sich das um einen sehr ernsthaften Vorgang“, sagte Merkel. Zu chinesischen Cyber-Attacken auf deutsche Unternehmen sagte sie, die Bundesregierung lehne Wirtschaftsspionage ab - „egal von wem das kommt“. Deutschland werde sich und seine Wirtschaft schützen. Es gebe auf der Welt Spionage. „Aber Deutschland glaubt nicht, dass man damit erfolgreich sein kann“, sagte Merkel.
Was ist über die NSA-Spionage in Deutschland bekannt?
Der GSM-Standard, mit dem Telefongespräche auf Handys verschlüsselt werden, gilt schon lange als geknackt. Die Gespräche können von Lauschern also entschlüsselt werden. Dazu müssen die Angreifer die Telefonate allerdings mitschneiden. Es besteht der Verdacht, dass sich auf dem Dach der US-Botschaft im Berliner Regierungsviertel technische Vorrichtungen befinden, die dazu genutzt werden können.
Nachdem der „Spiegel“ das Abhören des Merkel-Handys aufgedeckt hatte, reagierte US-Präsident Barack Obama. „Die Vereinigten Staaten überwachen die Kommunikation der Kanzlerin nicht und werden sie nicht überwachen“, erklärte Sprecher Jay Carney Ende Oktober. Was die heute als gesichert geltenden Abhörmaßnahmen in der Vergangenheit nicht ausschloss. Das Weiße Haus gab zudem keine Zusicherung, dass Merkels Umfeld nicht abgehört wird.
Die Kanzlerin kann ein besonders geschütztes Kryptohandy nutzen. Damit wurde die Bundesregierung im vergangenen Herbst ausgestattet. Diese Geräte verwenden zusätzliche Verschlüsselungstechnik. Allerdings funktioniert die sichere Kommunikation nur, wenn die Gesprächspartner ebenfalls über ein solches Sicherheitshandy verfügen. Die Hersteller berichten, dass seit Bekanntwerden des Spähskandals die Nachfrage nach ihren teuren Geräten gestiegen sei.
Die USA und Deutschland arbeiten eng zusammen, etwa in der Nato. Doch nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA wurde Deutschland zum wichtigsten Aufklärungsziel in Europa, wie der ehemalige NSA-Mitarbeiter Thomas Drake dem „Spiegel“ sagte. Einige der Todespiloten lebten unentdeckt von deutschen Sicherheitsbehörden in Hamburg. Die USA sollen sich außerdem für die wirtschaftliche Lage und die außenpolitischen Ziele Deutschlands interessieren.
Nach Berichten des früheren Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden soll der Geheimdienst NSA seit 2002 das Privat-Handy Merkels abgehört haben. Damals war sie CDU-Vorsitzende. Die NSA soll mehr als 300 Berichte über Merkel gespeichert haben.
Offenbar nicht. Nach Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“ und des NDR wurde auch schon SPD-Kanzler Gerhard Schröder abgehört. Grund sei sein Konfrontationskurs zu den USA im Irak-Krieg 2003 gewesen.
Dass die Kanzlerin belauscht wurde, brachte den NSA-Skandal in Deutschland erst richtig ins Rollen. Doch auch die Kommunikation ganz normaler Internetnutzer kann vom US-Geheimdienst und seinem britischen Partnerdienst GCHQ ausgespäht werden. Die Dienste zapfen zum Beispiel die Unterseekabel an, über die Daten verschickt werden.
Die Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch einen 31-jährigen BND-Mitarbeiter festnehmen lassen. Er hat nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur gestanden, über einen Zeitraum von zwei Jahren 218 Dokumente an US-Geheimdienste weitergeleitet und 25 000 Euro dafür kassiert zu haben.