Böhmermann-Prozess Kraftausdrücke einer Richterin

Das Hamburger Landgericht lässt sich nicht beirren. Der ZDF-Moderator Böhmermann darf Erdogan weiterhin nicht als Zoophilen mit „Schrumpelklöten“ beschimpfen – und muss dem türkischen Präsidenten die Kosten erstatten.

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Die Beschimpfungen des Moderators gingen zu weit. Quelle: dpa

Es kommt selten vor, dass vor einem deutschen Gericht Kraftausdrücke wie „Sein Gelöt stinkt streng nach Döner“ in Serie fallen, ohne dass es einen Ordnungsruf gibt. Fast nie jedoch gehen solche Verbalinjurien von der Richterin selbst aus. Am Freitag am Landgericht Hamburg musste Richterin Simone Käfer allerdings solche Passagen vortragen, um klarzustellen: Große Teile des Schmähgedichts auf den türkischen Staatspräsidenten Recep Erdogan, das der ZDF-Moderator Jan Böhmermann in seiner Sendung vorgelesen hatte, bleiben verboten.

Im vergangenen Jahr hatte das beleidigende Gedicht für viele Schlagzeilen gesorgt. Gegen Böhmermann wurde sogar wegen des Verdachts der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts ermittelt – aber keine Anklage erhoben. In Folge des Skandals soll der entsprechende Paragraph nach dem Willen der Bundesregierung gestrichen werden. Die Hamburger Richterin stellte dagegen am Freitag klar: Das Gedicht berühre den Kernbereich der Persönlichkeit Erdogans. Immerhin: Nicht das ganze Gedicht ist verboten, sondern nur seine derbsten Stellen. Das hatte die Kammer bereits in einer einstweiligen Verfügung festgelegt.

Das Urteil ist eine Niederlage für den renommierten Medien-Anwalt Christian Schertz, der Böhmermann vertrat und gegen Erdogans Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger antrat. Schertz hatte sich in der Verhandlung im November betont selbstbewusst gegeben. Mit seinen Auffassungen konnte er sich dennoch nicht durchsetzen. So sei das Gedicht nicht durch die Kunstfreiheit gedeckt, urteilte Käfer. „Die Kunstfreiheit ist laut Bundesverfassungsgericht zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos“, sagte sie. Sie müsse gegen den Persönlichkeitsschutz abgewogen werden.

Auch das Argument, Erdogan müsse sich als Staatschef, der hart mit Kritikern umgeht, mehr gefallen lassen, akzeptierte sie nur teilweise. Immerhin blieben daher Teile des Gedichts erlaubt, sagte sie. Diese würden – zusammen mit der Einbettung in einen Dialog mit Böhmermanns Sidekick Ralf Kabelka – auch allein noch Sinn ergeben. „Das Gedicht ist auch ohne die untersagten Passagen weiterhin verständlich und stellt weiterhin eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kläger dar“, erklärte die Richterin.

Erlaubt sind noch kritische Passagen wie „Sackdoof, feige und verklemmt/Ist Erdogan, der Präsident“. Auch Passagen in denen es heißt, der Politiker unterdrücke gern Minderheiten sind zulässig. Sätze wie „Sein Kopf so leer wie seine Eier, der Star auf jeder Gangbang-Feier“, hingegen sind nicht erlaubt.

Die Richterin verwarf auch Schertz Argumentation, die Häufung der Schmähungen zeige, dass sie nicht Ernst gemeint sein könnten – etwa indem Erdogan zugleich als schwul, zoophil, pädophil und verklemmt dargestellt werde. „Zwar erkennt der Zuschauer dass beispielsweise die ins Absurde gesteigerten Beschreibungen des Sexuallebens keinen realen Bezug haben“, sagte die Richterin, doch müsse der Kläger die Schmähungen nicht hinnehmen. „Es werden nicht nur gegenüber Türken bestehende Vorurteile aufgegriffen, der Kläger wird noch unterhalb eines Schweinefurzes stehend dargestellt“, sagte sie. Das sei für einen Moslem besonders beleidigend.

Auch an einem anderen Punkt widersprach sie Schertz. Böhmermanns Einleitung zu dem Gedicht, er wolle klarmachen, was in Deutschland nicht erlaubt sei, reiche nicht aus. Eine solche Sendung sei nicht mit einem juristischen Seminar zu den Grenzen der Meinungs- und Kunstfreiheit vergleichbar: „Das ist ein völlig anderer Sachverhalt.“

Jan Böhmermann gegen Recep Tayyip Erdogan

Die Juristin erläuterte auch, weshalb die Staatsanwaltschaft Mainz die strafrechtlichen Ermittlungen wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts einstellen konnte, sie selbst aber das Gedicht im Zivilprozess in weiten Teilen verbietet. Für den Beleidigungs-Strafbestand sei Vorsatz Voraussetzung. Die Staatsanwaltschaft sei aber davon ausgegangen, dass Böhmermann nicht bewusst beleidigen wollte und habe daher das Verfahren eingestellt. Für einen Unterlassungsanspruch reiche jedoch aus, dass das Gedicht objektiv beleidigend sei.

Direkte Folge für Böhmermann: Erdogan hat Anspruch auf die Zahlung von 1.973,90 Euro Kostenerstattung plus Zinsen. Sollte der 35-jährige das Gedicht wiederholen, ist zudem eine hohe Geldzahlung fällig.

Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht: Beide Seiten können Berufung einlegen. Böhmermann, Erdogan und ihre prominenten Anwälte erschienen zur Urteilsverkündung nicht. Schon die Verhandlung hatten allein die Anwälte bestritten. Schertz kündigte bereits kurz nach dem Urteil an, in Berufung gehen zu wollen.

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