Bornholmer Straße Transitraum der Deutschen Einheit

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Hinterlandmauer

Auch an der Bornholmer Straße gibt es Gedenkplätze, die jedoch gut verstreut und versteckt sind. Einige Meter neben der Erinnerungstafel ragt eine Infosäule empor und vor dem Eingang des S-Bahnhofs steht ein ovales, orangenes Ding, dessen Oberseite wie eingedrückt aussieht. Das Kunstobjekt soll ebenfalls an den Mauerfall erinnern, was man allerdings wissen muss.

Irgendwann mischte sich der Berliner Senat entnervt in das Verfahren ein, seit einigen Tagen gibt es nun einen Entwurf für eine Gedenkstätte, die nun an der Nordseite entlang der noch bestehenden Hinterlandmauer vor den Kleingärten realisiert werden soll.

Heute zum 20-jährigen Jubiläum wird das Konzept hier öffentlich vorgestellt und es kommt sogar die Kanzlerin. Um 15 Uhr geht Angela Merkel mit Michael Gorbatschow über die Brücke, es gibt drei Fototermine, eine halbe Stunde später ist der Tross dann schon wieder auf dem Weg zur nächsten Station des Gedenkmarathons. Die große Feier wird am Abend am Brandenburger Tor stattfinden. Die Bornholmer bleibt eine Durchgangsstation, das Intermezzo ist typisch für diesen Platz, der seit 20 Jahren stiefmütterlich behandelt wird.     

„Die Brücke ist eine magische Grenze"

Denn die Gegend um die Bösebrücke, benannt nach dem Widerstandskämpfer Wilhelm Böse, ist ein seltsamer Ort, an dem sich alles verändert hat und auch wieder nichts. Früher grenzten hier zwei Welten aneinander, heute kreuzen und überschneiden sich die Wege. Taxen und Straßenbahnen rasen über die Stahlbrücke, die S-Bahnen darunter durch. Die Passanten laufen aneinander vorbei und leben nebeneinander her. Aus dem Ausgangspunkt der Deutschen Einheit ist ein Transitraum geworden.

Ein Zusammenwachsen der Bezirke, die hier aufeinandertreffen gibt es kaum. „Die Brücke ist eine magische Grenze die auch das Publikum teilt“, sagt Carsten Möller, Teilhaber einer Kanzlei für Immobilien und Finanzen die ihren Hauptsitz an der ersten Ecke auf der Ostseite hat.

Auf der anderen Seite liegt der alte Arbeiterbezirk Wedding. Hier ist das Berlin, dass der ehemalige Finanzsenator Thilo Sarrazin kürzlich so mit so drastischen Worten schilderte. Der Ausländeranteil ist hoch, an der Kreuzung stehen Erstklässler, die mit der Messerstecherei in ihrer Straße prahlen.

Tita Berlin

Doch es gibt auch anderes. In einer Seitenstraße, zwischen dem „Euler-Eck“, einer typischen Berliner Eckkneipe in der Weinbrand-Cola für 1,60 Euro serviert wird, und einer Parterrewohnung mit umfangreicher Gartenzwergkollektion liegt das Schaufenster von „Tita Berlin“. Ein Laden wie man ihn sonst eher in den hippen Teilen des Prenzlauer Berg findet. Hier gibt es selbst gemachte Taschen, beispielsweise aus Jeansstoff mit aufgenähten Totenköpfen oder Bambi-Motiven.  

Tatsächlich hat die Inhaberin bis vor fünf Jahren im Prenzlauer Berg gewohnt, dann nervten sie der Trubel und die Touristenbusse vor ihrer Haustür. Den Laden hat Kerstin Janssen allerdings erst im September eröffnet, davor hatte sie ihr Atelier im Dachgeschoss, verkaufte die Taschen bis in die Schweiz und Südafrika, doch vor der eigenen Haustür schien es kaum Kundschaft für die Designerware zu geben.

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