Brexit-Streit Reizwort „Backstop“: Darum geht es

Die Grenze zu Nordirland Quelle: AP

Geht es um den Austritt der Briten aus der EU, ist immer wieder vom „Backstop“ die Rede. Aber worum geht es eigentlich bei der Klausel? Und warum reiben sich die Brexit-Verfechter so an ihr?

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Über kaum eine Klausel des Brexit-Deals wird so heftig diskutiert wie über den sogenannten Backstop. Hinter dem strittigen Punkt im Austrittsabkommen zwischen London und Brüssel verbirgt sich eine Art Versicherung für den Frieden auf der irischen Insel. Denn nach dem Brexit wird Irland weiterhin Teil der EU sein, Nordirland nicht.

Irland und Nordirland haben eine 500 Kilometer lange gemeinsame Landgrenze, die heute kaum sichtbar ist. Mit dem Brexit könnte sich das jedoch ändern: Durch den Austritt Großbritanniens droht auf der britischen Insel eine harte Außengrenze der Europäischen Union.

Während des Nordirland-Konflikts waren weite Teile dieser historisch sensiblen Grenze durch Wachtürme, Stacheldraht und schwer bewaffnete Soldaten gesichert. Denn ab den 1960er-Jahren bekämpften sich auf der Insel pro-irische Katholiken unter Führung der Untergrundorganisation IRA und protestantische, pro-britische Loyalisten. Mehr als 3500 Menschen starben. Mit dem Karfreitagsabkommen zwischen Großbritannien, Irland und mehreren wichtigen Parteien in Nordirland wurde 1998 der Konflikt in der Bürgerkriegsregion weitgehend beendet. Sollte es nach einem Brexit zu Grenzkontrollen kommen, könnte es erneut zu Unruhen kommen. Das soll verhindert werden.

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Auffangregelung für Nordirland

An dieser Stelle wird der Backstop wichtig. Die Notfallregel soll den freien Personen- und Warenverkehr an der Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland garantieren. Sollten sich London und Brüssel auf kein neues Handelsabkommen einigen können, würde beim Backstop das ganze Königreich auch nach der Übergangsfrist in der EU-Zollunion bleiben und Nordirland zusätzlich auch im europäischen Binnenmarkt.
Die Übergangsphase soll bis zum 31. Dezember 2020 laufen. Die Phase könnte um zwei weitere Jahre bis Ende 2022 verlängert werden. Während dieser zwei, maximal aber vier Jahre haben die EU und Großbritannien Zeit, um einen neuen Deal zu finden. Ob die vorgesehene Zeit dafür ausreichen wird, ist fraglich. Am 29. März 2019 läuft die Frist ab, bis zu der Großbritannien und die EU das Austrittsabkommen unterzeichnen müssen.

Viele konservative Abgeordnete und die Vertreter der nordirischen Protestantenpartei DUP fordern, dass der Backstop ersatzlos gestrichen wird. Besonders stören sich die Brexit-Verfechter daran, dass das Vereinigte Königreich die Regelung nicht einseitig kündigen kann. Zweiter Kritikpunkt ist, dass die Briten faktisch keine neuen Handelsabkommen mit anderen Ländern der Welt schließen können, etwa mit den USA, solange sie Mitglied der Europäischen Zollunion sind.

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Premierministerin May weiß, wie gefährlich ein ungeordneter Brexit wäre. Deshalb versucht sie jetzt alles, um das Austrittsabkommen „über die Ziellinie zu bekommen“, wie sie sagt. Dafür sei es jedoch nötig, den Eindruck zu zerstreuen, dass der Backstop eine „Falle sein könnte, aus der Großbritannien nicht entfliehen könnte“.

Hier ist May auf ein Entgegenkommen der europäischen Partner angewiesen. Die sicherten den Briten bislang lediglich in einer Erklärung zu, dass die Anwendung des Backstops wenn irgend möglich vermieden werden soll. Sollte er doch gebraucht werden, „würde er nur befristet angewandt, bis er durch eine Folgelösung ersetzt würde“, heißt es dort. Dieses Folgeabkommen soll so schnell wie möglich verhandelt und abgeschlossen werden.

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