
Berlin Der Finanzexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß, hat sich nach der Aufdeckung von über 214.000 Briefkastenfirmen in Panama für ein härteres Vorgehen gegen beteiligte Geldinstitute ausgesprochen. „Angesichts der Dimension der Enthüllungen ist zu überlegen, ob man Banken, die mit intransparenten Firmengeflechten Geschäfte machen, mit einer pauschalen Abgabe belegt“, sagte Poß dem Handelsblatt.
Es sei nun wichtig, dass die Ermittlungsbehörden genau prüfen, ob und welche Straftatbestände in den bekannt gewordenen einzelnen Fällen erfüllt würden. „Dabei muss auch festgestellt werden, inwieweit Banken bei Steuerhinterziehung und Geldwäsche geholfen haben“, sagte der SPD-Politiker. Offen zeigte sich Poß in diesem Zusammenhang für generelles Verbot oder eine Einschränkung von Offshore-Geschäften.
Auch die Existenz von Briefkastenfirmen innerhalb Europas, zum Beispiel in den Benelux-Staaten Belgien, Niederlande und Luxemburg sollte im Kampf gegen Steuerdumping und -hinterziehung geprüft werden, sagte Poß weiter. „Die weltweiten Schlupflöcher für korrupte Staatenlenker und Steuerkriminelle müssen Zug um Zug geschlossen werden.“
Die Deutsche Bank und die Hamburger Privatbank Berenberg haben Geschäfte im Zusammenhang mit Briefkastenfirmen im Ausland bestätigt. Zugleich betonten sie aber die Rechtmäßigkeit der Vorgänge.
In der Union steht man härteren Konsequenzen ablehnend gegenüber. „Es hilft überhaupt nichts, wenn etwa die SPD mit Klassenkampfschaum vorm Mund jene pauschal als asozial diffamiert, die Geld im Ausland anlegen, und deren pauschale Bestrafung fordert“, sagte der Obmann der Unions-Fraktion im Bundestags-Finanzausschuss, Hans Michelbach (CSU), dem Handelsblatt. „Firmen im Ausland zu gründen oder Geld ins Ausland zu transferieren, ist keineswegs illegal, wenn die Erträge ordnungsgemäß beim deutschen Finanzamt deklariert und versteuert werden.“
Michelbach reagierte damit auf Äußerungen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Dieser hatte der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt, es dürfe nicht zugelassen werden, dass ein Teil der Gesellschaft hart arbeite, sich an die Regeln halte und Steuern zahle, während ein anderer Teil die Gesellschaft betrüge. „Diese Betrüger sind die wahren Asozialen“ betonte der SPD-Chef. „Wer die Leistungsbereitschaft in einer sozialen Marktwirtschaft erhalten will, muss diese organisierte Kriminalität von Banken und Finanzjongleuren mit allen Mitteln bekämpfen.“
Schäuble-Sprecher: „Wir werden den Ball aufnehmen“
Michelbach sprach sich für ein international abgestimmtes Vorgehen gegen Steuerflucht und Geldwäsche aus. „Die Bundesregierung sollte ihre Bemühungen intensivieren, die Schlupflöcher für die Steuervermeidung zu schließen“, sagte er. Auf diesem Gebiet seien bereits einige Fortschritte erzielt worden. Weitere Fortschritte müssten nun insbesondere auf der Ebene der G20 folgen. „Ein deutscher Alleingang führt nicht weiter“, betonte der CSU-Politiker.
Die Bundesregierung kündigte derweil an, sich für eine konsequente internationale Bekämpfung von Steuerhinterziehung einzusetzen. Der Druck auf beteiligte Staaten müsse „unverändert hoch bleiben“, damit sie weitere Schritte für mehr Transparenz unternehmen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Aus der CDU kamen allerdings auch Warnungen, die sogenannten „Panama Papers“ überzubewerten.
Seibert sagte, die Bundesregierung nehme die Berichte über dubiose Finanzverstrickungen von Politikern, Geschäftsleuten und Prominenten aus aller Welt ernst. „Da, wo es Hinweise zu Steuerhinterziehungsmodellen gibt, ist dem auch national nachzugehen“, fügte er hinzu.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fühlt sich derweil in seinem Kampf gegen Steueroasen bestätigt. „Wir sehen die Veröffentlichungen über die Panama-Papers als Zuspiel in einem laufenden Spiel“, sagte sein Sprecher Martin Jäger. „Wir werden den Ball aufnehmen.“ In dem Bereich sei „in den vergangenen drei Jahren mehr passiert als in den 30 Jahren davor“. Trotzdem gebe es nach wie vor Bedarf an mehr Transparenz.
Der „Süddeutschen Zeitung“ waren durch eine anonyme Quelle etwa elf Millionen Dokumente aus der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca in Panama zugespielt worden. Unter den Kunden fänden sich fast 130 Politiker aus aller Welt. Der Zeitung zufolge zeigen die Daten, „wie eine globale Industrie, angeführt von großen Banken, Anwaltskanzleien und Vermögensverwaltern, die Besitztümer von Politikern, Fifa-Funktionären, Betrügern und Drogenschmugglern, aber auch von Milliardären, Prominenten und Sport-Stars in aller Verschwiegenheit verwaltet“.
Maas will Briefkastenfirmen zur Offenheit verpflichten
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) plant derweil ein „Transparenzregister“, in dem Briefkastenfirmen ihre wahren Eigentümer offenlegen müssen. „Die Heimlichtuerei muss ein Ende haben“, sagte Maas am Montag zu SZ, NDR und WDR. Mehr Transparenz sei ein „wichtiger Bestandteil im Kampf gegen Steuerhinterziehung und Terrorismusfinanzierung“. Briefkastenfirmen, „bei denen die wirtschaftlich Berechtigten anonym bleiben“, dürfe es nicht länger geben. Zu diesem Zweck soll das deutsche Geldwäschegesetz entsprechend ergänzt werden.
Die „wirtschaftlich Berechtigten“, die sich hinter Briefkastenfirmen stehen, verstecken so oftmals ihr Vermögen vor dem Fiskus verbergen oder waschen Geld, das aus kriminellen Delikten stammt. Dagegen will Maas vorgehen, ebenso wie SPD-Chef und Wirtschaftsminister Gabriel.
Gabriels Parteifreund Maas hat den neuen Paragrafen 9a bereits vor einem Monat in der Regierung vorgeschlagen. Mit einem nationalen Transparenzregister ist Briefkastenfirmen in der Karibik oder Panama zwar nicht beizukommen. Die Gesetzesnovelle soll nach Angaben aus Regierungskreisen aber ein Signal an die EU und andere internationale Organisationen sein: Deutschland macht seine Hausaufgaben, die anderen sollen folgen.
Grüne fordern „Masterplan“ gegen Steuerbetrug und Geldwäsche
Auch Freunde des russischen Präsidenten Wladimir Putin sollen laut SZ die Dienste der vor fast 40 Jahren von dem Deutschen Jürgen Mossack gegründeten Kanzlei in Anspruch genommen haben. Putin selbst werde in den Unterlagen aber nicht erwähnt. Ein Sprecher des russischen Präsidialamtes sagte, Ziel der Veröffentlichung sei, Putin vor anstehenden Wahlen zu diskreditieren.
Laut „Guardian“ soll auch der verstorbene Vater des britischen Premiers David Cameron, Ian Cameron, zu den Kunden gezählt haben. Den Berichten zufolge soll die Familie des pakistanischen Ministerpräsidenten Nawaz Sharif ebenfalls die Dienste der Kanzlei genutzt haben.
Vizekanzler und SPD-Chef Gabriel verlangte ein härteres Vorgehen gegen die „schmutzigen Geschäfte“ von Briefkastenfirmen und deren Profiteure. „Die Geldgier dieser Superreichen verbindet sich mit der Gewissenlosigkeit im Banken- und Finanzsektor“, sagte Gabriel der „Süddeutschen Zeitung“. Briefkastenfirmen sollten weltweit verboten werden. Diese dienten auch der organisierten Kriminalität und der Terrorfinanzierung.
SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sagte, die veröffentlichten Dokumente „zeichnen ein Bild von Steuerhinterziehung und auch Geldwäsche in einem Ausmaß, das wir so noch nie gesehen haben in dieser Datenmenge“.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte von der Bundesregierung einen „Masterplan“ gegen Steuerbetrug und Geldwäsche. „Die Steuersümpfe in Panama und anderswo gehören endlich ausgetrocknet“, sagte Hofreiter der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
„Es gibt für solche Transfers auch ganz harmlose Gründe“
Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht warf der Bundesregierung Tatenlosigkeit bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung vor. „Die Bundesregierung und der Bundestag stehen jetzt in der Pflicht, die geleakten Informationen schnellstmöglich und gründlich auszuwerten.“ Auch die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses müsse geprüft werden.
Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs warnte dagegen vor einer „Skandalisierung“ der Panama-Papiere. „Es ist nicht illegal, Firmen im Ausland zu gründen oder Geld ins Ausland zu transferieren“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Nicht in jedem Fall handele es sich um Steuerhinterziehung. „Es gibt für solche Transfers auch ganz harmlose Gründe.“
CDU-Generalsekretär Peter Tauber warnte ebenfalls vor voreiligen Forderungen nach Konsequenzen. „Ich glaube, dass es ganz gut ist, bei so einem grundsätzlichen Thema sich erstmal die Zeit zu nehmen, sich alles anzuschauen“, sagte er. Grundsätzlich sei die Schließung von Steuerschlupflöchern aber „der Weg, den man weiter gehen muss“.