Bruttolöhne, Bevölkerung, Verkehr So unterschiedlich sind die deutschen Landeshauptstädte

Stuttgart führt mit 44.901 Euro. Quelle: imago images

Wie stark unterscheiden sich Deutschlands Landeshauptstädte auch nach dreißig Jahren Deutsche Einheit? Erheblich – und zwar nicht nur beim Vergleich der Bruttolöhne. Doch in vielen Bereichen gibt es auch Annäherungen.

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Wie lebenswert die deutschen Landeshauptstädte sind, hängt von vielen Faktoren ab – ein Blick auf den heute veröffentlichten Hauptstadtvergleich zeigt aber, dass es auch dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer erhebliche Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland gibt. Nicht nur bei der Finanzkraft.

Erstellt wurde der Hauptstadtvergleich von der Landeshauptstadt Potsdam, die die Zahlen seit 1995 analysiert. Im heute vorgestellten Bericht wurden die Zahlen aus den Jahren 2017 und 2018 verglichen. Die WirtschaftsWoche fasst die wichtigsten Ergebnisse aus den Bereichen Bevölkerungsstruktur, Alter, Migration, Einkommen, Bildung und Erziehung, Verkehr, Tourismus sowie kommunale Finanzen und Personal zusammen.

1. Bevölkerung und Altersstruktur

Von den insgesamt 83,02 Millionen Einwohnern der Bundesrepublik Deutschland lebten 2018 11,78 Millionen in den 16 Landeshauptstädten. Das entspricht einem Anteil von rund 14 Prozent. Bis auf Kiel (- 0,2 Prozent) und Saarbrücken (-0,1 Prozent) verzeichneten alle Städte einen Bevölkerungszuwachs.

Potsdam war 2018 erneut die stärkste wachsende Landeshauptstadt mit einem Plus von 1,5 Prozent. Berlin und München folgten der Brandenburgischen Landeshauptstadt mit einem Plus von 1,0 Prozent beziehungsweise 1,1 Prozent. Mit 178.347 Einwohnerinnen und Einwohner ist Potsdam nach Schwerin die zweitkleinste Landeshauptstadt in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Bevölkerungsdichte ist weiterhin in Berlin und München am höchsten. In Berlin leben auf einem Quadratkilometer durchschnittlich deutlich mehr als 4000 Personen, in München sind es fast 5000. Trotz des dynamischen Bevölkerungswachstums in Potsdam ist die Bevölkerungsdichte mit 950 Personen je Quadratkilometer vergleichsweise gering. Dünner besiedelt sind nur Schwerin (742 Personen/km²) und Erfurt (793/km²).

von Max Haerder, Henryk Hielscher, Bert Losse, Annina Reimann, Christian Schlesiger, Tina Zeinlinger

Die ostdeutschen Landeshauptstädte führen die Top 3 mit Blick auf das Durchschnittsalter an. Die „älteste“ Landeshauptstadt ist Schwerin mit einem Durchschnittsalter von 46,68 Jahren, gefolgt von Magdeburg mit 45,1 Jahren und Erfurt mit 44,2 Jahren. Die „älteste“ westdeutsche Landeshauptstadt liegt allerdings knapp dahinter: 44 Jahre sind die Menschen in Saarbrücken im Schnitt alt. Die „jüngste“ Landeshauptstadt ist aber nicht etwa Berlin mit 42,7 Jahren, sondern Mainz mit einem Durchschnittsalter von 40,9 Jahren.

2. Migration

Die ausländische Bevölkerung hat 2018 in allen Landeshauptstädten laut Einwohnermelderegister zugenommen – in den ostdeutschen Landeshauptstädten bleibt der Anteil aber weiterhin gering. Am höchsten ist der Ausländeranteil – also die Anzahl der Personen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit – in München mit einem Anteil von 28,1 Prozent, gefolgt von Stuttgart mit 25,6 Prozent und Düsseldorf mit 23,1 Prozent. Am niedrigsten ist er in den fünf ostdeutschen Landeshauptstädten Dresden (8 Prozent), Schwerin (8,1 Prozent), Erfurt (8,4 Prozent), Potsdam (8,7 Prozent) und Magdeburg (9,2 Prozent), in der Bundeshauptstadt Berlin liegt er bei 20 Prozent.

3. Einkommen, wirtschaftliche Lage und Pendler

Alle Landeshauptstädte zeigen durchweg positive Entwicklungen für die Jahre 2017 und 2018. So sind das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die Bruttowertschöpfung, die Bruttolöhne und das Arbeitnehmerentgelt sowie die Erwerbstätigen 2017 in allen 16 Vergleichsstädten gestiegen.

Das größte BIP je Einwohner wies 2017 Stuttgart mit 84.180 Euro auf. Mit 41.297 Euro führt Potsdam die ostdeutschen Landeshauptstädte an, wo es mit einem Plus von 6,1 Prozent auch den größten BIP-Zuwachs gab, gefolgt von München (+5,3 Prozent), Kiel und Erfurt (jeweils + 4,7 Prozent).

von Daniel Goffart, Karin Finkenzeller, Dieter Schnaas

Die Spannweite bei den Bruttolöhnen je Arbeitnehmer ist dagegen im Ost-West-Vergleich weiterhin hoch, 2017 lag sie bei fast 15.000 Euro: 44.901 Euro Bruttoeinkommen in Stuttgart stehen 29.973 Euro in Magdeburg gegenüber. Knapp hinter Stuttgart liegt München mit 44.604 Euro, gefolgt von Düsseldorf mit 43.634 Euro. Mit 32.545 Euro verzeichnete Potsdam eine Zunahme um 3,3 Prozent und liegt damit an der Spitze der ostdeutschen Städte – abgesehen von Berlin, wo der Bruttolohn je Arbeitnehmer im Schnitt bei 34.703 Euro lag. In München und Stuttgart lagen die Bruttolöhne je Arbeitsstunde der Arbeitnehmer 2017 bei fast 33 Euro. Die ostdeutschen Landeshauptstädte kommen im Durchschnitt auf 23 Euro.

Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Wohnort hat sich im Berichtsjahr 2018 in allen Landeshauptstädten positiv entwickelt. Mit einer Veränderung von jeweils 3,4 Prozent zum Vorjahr fiel die Zunahme in Berlin, Potsdam und Mainz am größten aus. Die Zunahme der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort war im Vergleich etwas geringer. Auf 100 Einwohner kommen in Stuttgart 69 Beschäftigte (am Arbeitsort). In Berlin liegt der entsprechende Vergleichswert bei 40 Beschäftigten.

Alle Landeshauptstädte sind Pendlerstädte. Die meisten Einpendler hat Saarbrücken mit 64,1 Prozent, gefolgt von Mainz mit 60,6 Prozent und Stuttgart mit 59,5 Prozent, die wenigsten Berlin mit 21,3 Prozent.

4. Bildung und Erziehung

In fünf Landeshauptstädten nahm die Studierendenzahl im Wintersemester 2018/2019 ab. Der Rückgang fiel in Bremen (-9,8 Prozent) am deutlichsten aus. Die größten Zugewinne erzielten München (+ 6,3 Prozent) und Wiesbaden (+6,2 Prozent). Die Studierendendichte war im vorliegenden Berichtsjahr in Mainz, Kiel und Potsdam am höchsten. Auf 1000 Einwohner kommen in Mainz 173 Studierende, gefolgt von Kiel (146) und Potsdam (144). Wiesbaden und Erfurt besitzen weiterhin die niedrigste Studierendendichte.

Die Betreuungsquote von Kindern unter 14 Jahren ist nach Angaben der Vergleichsstudie in den ostdeutschen Städten noch immer deutlich höher als in Westdeutschland. Potsdam und Dresden kommen auf mehr als 67 Prozent und führen damit das Ranking an. In Berlin, Bremen, Düsseldorf und Hamburg werden im Schnitt weniger als 35 von 100 Kindern unter 14 Jahren in öffentlichen Einrichtungen (inklusive Tagespflege) betreut. In allen ostdeutschen Landeshauptstädten (ohne Berlin) liegt die Betreuungsquote bei mehr als 50 Prozent, in allen westdeutschen Landeshauptstädten dagegen bei unter 50 Prozent.

Auch die Besuchsquote von Kindern bis unter 3 Jahren in öffentlich geförderter Tagespflege zeigt im Vergleich aller Städte eine hohe Varianz. In Düsseldorf liegt dieser Wert bei 17 Prozent, in Berlin, Stuttgart und München bei unter 4 Prozent. In Potsdam betrug die Besuchsquote 7 Prozent.

5. Verkehr

Obwohl sich viele Landeshauptstädte bemühen, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen, bleibt das Auto dennoch für viele Menschen offensichtlich unverzichtbar. So ist die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge in allen Landeshauptstädten – bis auf Wiesbaden – gewachsen, am stärksten in Potsdam (+3,4 Prozent) und Mainz (+2,4 Prozent). Die höchste Pkw-Dichte besitzt Stuttgart. Auf 1000 Einwohner kamen 2018 dort 491 Pkw. Vermutlich bedingt durch die gute Struktur des öffentlichen Personennahverkehrs hat Berlin konstant die niedrigste Pkw-Dichte (2018: 321).

Erstmalig wurde auch der Bestand an E-Pkw abgefragt. Bezogen auf 1000 Pkw liegen alle Berichtsstädte deutlich unter der Marke von zehn E-Pkw. Das Ranking wird angeführt von München und Stuttgart.

Wie die Unfallstatistik belegt, ist die Zahl der Straßenverkehrsunfälle 2018 in der Hälfte der Städte gestiegen. Ein deutlicher Rückgang wurden demnach in Schwerin (-7,7 Prozent) und Mainz (-10 Prozent) erfasst. Die Unfall-Dichte, gemessen an den Unfällen je 1000 Einwohner, ist wie auch schon im Vorjahr in Düsseldorf (47) und Stuttgart (43) am höchsten.

Insgesamt gab es 2018 in den Landeshauptstädten 160 Unfalltote, das sind zehn weniger als im Vorjahr. In keiner anderen Stadt wurden im Verkehr so viele Menschen wie in Berlin getötet, 45 Menschen starben bei Verkehrsunfällen, das sind noch einmal neun Menschen mehr als im Vorjahr, dahinter liegt Hamburg mit 29 Unfalltoten, eine Person mehr als im Vorjahr. Mainz ist die einzige Landeshauptstadt, in der 2018 niemand bei einem Verkehrsunfall getötet wurde.

6. Tourismus

Touristisch sind die Landeshauptstädte in den Zeiten vor der Coronakrise weiterhin gefragt. So stieg die Zahl der Gästeankünfte in allen Landeshauptstädten zusammen um etwa zwei Millionen auf erstmalig über 42 Millionen Besucher. Mit über 13 Millionen Besuchern ist Berlin der mit Abstand größte Touristenmagnet. In Erfurt, Hannover, Mainz, Saarbrücken und Wiesbaden gingen die Gästeankünfte dagegen zurück. München ist weiterhin die einzige Landeshauptstadt mit mehr als 5000 Besuchern auf 1000 Einwohner. Die größten Zuwachsraten bei den Gästeübernachtungen registrierten Potsdam, München und Kiel. Im Durchschnitt verweilen die Gäste 2,3 Tage in Potsdam. Das ist hinter Berlin (2,4 Tage) die längste Aufenthaltsdauer.

7. Kommunale Finanzen und Personal

Insgesamt waren 2018 fast 227.000 Personen in den Stadtverwaltungen der 16 Landeshauptstädte beschäftigt. Damit nahm der Personalbestand um über 7000 Beschäftigte zu. Mit Erfurt und Mainz haben zwei Städte ihr Personal in der Verwaltung leicht reduziert.


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Der Anteil der Beamten am Verwaltungspersonal ist leicht rückläufig. Berlin besitzt mit über 50 Prozent den größten Beamtenanteil. In keiner anderen Stadt ist der Anteil der Beamten größer als der Anteil der Beschäftigten. Mit 10,7 Prozent besitzt Potsdam den geringsten Beamtenanteil

Der städtische Schuldenstand hat sich 2018 mit Ausnahme von Hannover und Magdeburg positiv entwickelt. Erfurt, Düsseldorf und Kiel konnten ihre Schuldenlast um rund 10 Prozent reduzieren. In Magdeburg nahm der Schuldenstand dagegen um etwa diese Größenordnung zu. Dresden ist nicht mehr die einzige schuldenfreie Landeshauptstadt. 2018 konnte Stuttgart die 2017 noch bestehende Schuldenlast von 21,4 Millionen Euro ausgleichen.

Werden die Schulden je Einwohner betrachtet, so kommt Berlin auf eine Verschuldung von 15 916 Euro, 446 Euro weniger als 2017. Die zweitgrößte Verschuldung je Einwohner weist Saarbrücken auf (5793 Euro). 382 Euro je Einwohner bedeuten für Potsdam hinter Dresden und Düsseldorf den drittniedrigsten Wert.

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