BSI Bundesamt für IT-Sicherheit wusste schon früh von Datenklau

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Barley prüft nach Datenklau Gesetzesverschärfung

Justizministerin Katarina Barley zieht nun strengere Sicherheitsvorgaben für Software-Hersteller und die Betreiber von Internet-Plattformen in Betracht. „Wir prüfen, inwieweit hier schärfere gesetzliche Vorgaben sinnvoll und erforderlich sind“, sagte die SPD-Politikerin der „Welt am Sonntag“ laut Vorabbericht. Hersteller und Plattformbetreiber müssten hohe Sicherheitsstandards und regelmäßige Updates gewährleisten. Am Freitag war bekanntgeworden, dass Daten wie Mobilfunknummern und Emailadressen Hunderter deutscher Politiker und anderer Prominenter im Internet verbreitet worden waren. Bislang ist nicht bekannt, ob sie durch das Eindringen in Computernetzwerke erlangt oder widerrechtlich weitergeleitet wurden.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums teilte am Samstag mit, dass die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität (ZIT) die Ermittlungen aufgenommen habe und mit dem Bundeskriminalamt (BKA) zusammenarbeite. Die ZIT ist eine Sondereinheit der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt. Mit Blick auf den Datenklau spricht das Bundesinnenministerium von „unbefugter Veröffentlichung“, da nicht klar ist, wer die Daten auf welchem Wege gesammelt hat.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Freitag erklärt, es deute vieles darauf hin, „dass Daten durch die missbräuchliche Nutzung von Zugangsdaten zu Clouddiensten, zu E-Mail-Accounts oder zu sozialen Netzwerken erlangt wurden“. Es gebe aber keine Indizien dafür, dass Systeme des Bundestages oder der Bundesregierung „kompromittiert worden sind“.

Einer der Hauptbetroffenen der Attacke, der Grünen-Politiker Konstantin von Notz, forderte ein Umdenken in der deutschen Sicherheitspolitik. „Wir brauchen ein stärkeres Bewusstsein, dass diese Frage der IT-Sicherheit für eine Demokratie im Zeitalter der Digitalisierung konstituierend ist“, sagte der Vize-Fraktionschef.

Obwohl der Staat für digitale Strukturen eine Verantwortung habe, seien die Nutzer selbst auch in der Pflicht, auf Sicherheit zu achten. „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Kiste. Wir brauchen eine höhere Sensibilität bei allen, die betroffen sind“, sagte von Notz. „Insgesamt brennt in dem Bereich die Hütte lichterloh.“

Der FDP-Abgeordnete Höferlin sagte: „Es zeigt sich erneut, dass die Strukturen zur Information der Parlamentarier über Cyber-Gefahren nicht ausreichend sind.“ Der Linke-Abgeordnete André Hahn war ebenfalls empört: „Mich ärgert wahnsinnig, dass ich solche Dinge zum wiederholten Male aus den Medien erfahre - und das, obwohl ich Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium und im Innenausschuss des Bundestages bin“, sagte der dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag). „Die Informationspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Parlament gilt auch zwischen Weihnachten und Neujahr.“

Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) kündigte Konsequenzen an. „Wir werden alles daran setzen, den Urheber dieses üblen Angriffs auf die Persönlichkeitsrechte von so vielen Bürgern dingfest zu machen und die dazu genutzten Strukturen unschädlich zu machen“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Samstag). „Wir müssen auch prüfen, ob wir zur Rückverfolgung der Täter technische und gesetzliche Ermittlungsmöglichkeiten stärken müssen.“

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus rief dazu auf, die Daten nicht zu nutzen. „Ich kann nur an alle appellieren, verantwortungsvoll mit den Daten umzugehen. Damit die, die diese privaten Informationen öffentlich machen, nicht gewinnen“, sagte der CDU-Politiker der „Heilbronner Stimme“ (Samstag). Aus Sicht seines Stellvertreters Thorsten Frei zeigt der Vorfall, „wie fahrlässig die gesamte Gesellschaft und auch die Wirtschaft mit dem Thema Datensicherheit umgeht“. Während die USA 2017 für die Cyber-Sicherheit rund 20 Milliarden Euro ausgegeben hätten, müsse das deutsche BSI mit einem Etat von rund 110 Millionen Euro auskommen, sagte Frei der „Stuttgarter Zeitung“/„Stuttgarter Nachrichten“ (Samstag), „Das steht in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Gefahr.“

Der Cyber-Sicherheitsrat Deutschland mahnte einen Ausbau der Cyberabwehrkapazitäten an. Ziel müsse sein, Angriffe schneller zu entdecken sowie Cyberkriminelle effektiv zu identifizieren und strafrechtlich verfolgen zu können, sagte der Präsident des Cyber-Sicherheitsrats, Hans-Wilhelm Dünn.

Laut Recherchen von faz.net, dem Online-Dienst der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, ist der Inhaber des mittlerweile gelöschten Twitter-Accounts in der Youtuber-Szene kein Unbekannter. Er habe schon häufiger andere Konten gehackt, berichtete faz.net am Freitag und zitierte einen Betroffenen mit den Worten: „Wir haben das Spiel alle schon mal durch.“

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