Budget Königsrecht des Parlaments in akuter Gefahr

Das Budgetrecht ist das vornehmste Recht des Parlaments - schon seit Jahrhunderten. Jetzt könnte es in Gefahr geraten. Grund ist der neue europäische Rettungsschirm und die Zahlungen, die Deutschland dafür leisten muss.

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Der Deutsche Bundestag. Quelle: handelsblatt.com

Es war das entscheidende Instrument gegen staatliche Willkür, sei es in Form eines Monarchen, sei es in Form einer demokratisch gewählten Regierung. Zum ersten Mal setzten es die Engländer 1689 in ihrer Glorious Revolution durch: In den "Bill of Rights" rangen sie dem neuen König William das Zugeständnis ab, dass das Parlament über die Gesetze entschied, vor allem über die Steuergesetze. Dieser Grundsatz fand später auch in der US-Verfassung seinen Niederschlag in der berühmt gewordenen Formulierung: "No taxation without representation" - also keine Besteuerung ohne Zustimmung der Volksvertreter.

In Deutschland, wo das Budgetrecht erst in der Zeit von Reichskanzler Otto von Bismarck eingeführt wurde, manifestiert sich dieses Recht heute im Artikel 110 des Grundgesetzes. Dort heißt es, dass "allein das Parlament für die Festsetzung von Ausgaben zuständig" ist. Nach wie vor stellt die Haushaltsdebatte des Bundestags die grundsätzliche Auseinandersetzung über alle Bereiche der Regierungspolitik dar. Hier geht es um die in Zahlen gegossene Politik. Will eine Regierung mehr ausgeben, als ihr von den Abgeordneten bewilligt wurde, muss sie einen Nachtragshaushalt einbringen.

Auch wenn das Budgetrecht seit langem verfassungsrechtlich verankert ist - es schwebt in akuter Gefahr. In den letzten Jahren entzündeten sich die Konflikte in regelmäßigen Abständen bei der Übertragung von nationalen Rechten auf die Europäische Union. In dem grundlegenden "Lissabon-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts vom Juni 2009 heißt es: "Eine das Demokratieprinzip und das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag in seinem substantiellen Bestimmungsgehalt verletzende Übertragung des Budgetrechts des Bundestages läge vor, wenn die Festlegung über Art und Höhe der den Bürger treffenden Abgaben in wesentlichem Umfang supranationalisiert würde." Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof kommentierte das Urteil mit den Worten: "Bemerkenswert ist, dass das Bundesverfassungsgericht erstmals die Aufgaben skizziert, die dem demokratischen Staat bleiben müssen. Dazu gehören Einnahmen und Ausgaben, also die Steuern und das Budgetrecht des Parlaments."

Dieses "Königsrecht" der Legislative aber verkümmerte im Verlauf der Finanzkrise. Schon Anfang 2009, auf dem Höhepunkt der Krise, empörte sich der Frankfurter Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe angesichts von Konjunkturprogrammen in noch nie da gewesenen Dimensionen: "Es ist schon erstaunlich, in welchem Tempo plötzlich in Deutschland dreistellige Milliardenbeträge bewegt werden können - ohne nennenswerte parlamentarische Debatte." Mit den weitreichenden Finanzzusagen der Bundesregierung für den Euro-Rettungsschirm geht die Entmachtung des Parlaments jetzt in die nächste Runde.

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