Für Schmolke sieht der Plan so aus: Es gibt eine mögliche kleine und eine mögliche große Lösung. Die kleine: Die Regierung würde künftig einen Bericht zur Lebensqualität vorlegen. Es gäbe einen Pressetermin, Worte des Ministers. Ob die Deutschen zufriedener wären? Man hat so seine Zweifel. Die große Lösung: Der Sachverständigenrat beim Wirtschaftsminister würde mit neuem Schwerpunkt über die Entwicklung der Lebensqualität berichtet. „Damit würden wir klarmachen, unser Begriff von Wohlstand ist breiter aufgestellt und berücksichtigt die Wünsche der Menschen“, sagt der Ministeriale. Am Ende dieser Entwicklung stünde, dass das Bruttoinlandsprodukt als Ausweis von wirtschaftlicher Stärke an Bedeutung verlöre. Ihm würde eine Art Glücksindikator gegenübergestellt.
Gesellschaftliche Unterstützung dafür wäre da. Die Gewerkschaften erkannten schon vor Jahren, dass sich mit dem Streben nach Glück auch ihr eigenes Glück steigern lässt. Der DGB hat in den vergangenen Wochen mehr als 4000 Arbeitnehmer nach ihrer Befindlichkeit befragen lassen. Das Ergebnis: ein „Index Gute Arbeit“, der im Herbst erscheinen und die Arbeitsmarktpolitik beeinflussen soll.
Materielle Indikatoren reichen nicht fürs Glück
Auch, wo auf lokaler Ebene ähnliche Modellversuche laufen, ist das Interesse der Deutschen durchaus groß. Etwa in Frankfurt. Dort hat der ehemalige Banker Stefan Bergheim sich auf die Suche nach der Lebenszufriedenheit der Frankfurter gemacht. Bergheim sitzt auch im Beraterstab der Regierung für ihren Bürgerdialog. Sein „Zentrum für gesellschaftlichen Fortschritt erforscht eine zukunftsfähige Wirtschaft, in der das Wohlergehen das Wachstum schlägt. In Frankfurt hat er getestet: Was passiert wenn die Erkenntnisse der Verhaltensökonomie auf die Realität treffen?
Bergheim hat dazu einen etwas sperrig benannten „Lebensqualitätsprozess“ gestartet. Unterschiedliche Interessensgruppen der Stadt haben sich formiert, um gemeinsam ihr Lebensumfeld zu verbessern. Wie definieren die Frankfurter Lebensqualität – und wie lässt sie sich umsetzen, waren die Leitfragen. Erste Antwort: Die Leute wollen mehr Eigenverantwortung als gedacht – der Langzeitarbeitslose das Gefühl, für sich selbst sorgen zu können, der Student die Perspektive, selbstständig leben und arbeiten zu können. Zweite Antwort: die bisherigen, meist materiellen, Indikatoren für Fortschritt und Qualität einer Kommune oder eines Landes reichen nicht.
Die Deutschen haben einfache Wünsche
Wie könnten diese Ergebnisse auf Bundesebene gehoben werden? Die Industrieländer-Organisation OECD hat einen Better-Life-Index mit elf Indikatoren erstellt: Beschäftigung, Bildung, Gesundheit, Einkommen, Gemeinsinn, Lebenszufriedenheit, Sicherheit, Umwelt, Wohnverhältnisse, Work-Life-Balance und Zivilengagement stehen darauf. Länder, die künftig Wohlstand schaffen wollen, sollen bei allen Gesetzen diese Punkte beachten, findet die OECD. Als Beleg für ihre These, dass Politik in diesen Bereichen Glück fördern kann, führt die Organisation viele Politikbeispiele aus ihren Mitgliedsländern an: In Großbritannien loben die Forscher die aktivierende Arbeitsmarktpolitik, die die Langzeitarbeitslosigkeit gesenkt habe. Die Schweiz schneidet wegen ihrer direktdemokratischen Elemente gut ab.
In Deutschland sind die Vorstellungen derzeit noch etwas blumiger: „Was Menschen wichtig ist, muss Auftrag für unsere Politik sein“, umschreibt Merkel in einer Broschüre den Hintergrund der Gesprächsreihe. Gabriel ergänzt: „Ob gute Arbeit, Gesundheit oder Familie, Freunde und Zusammenhalt: Wir suchen die Debatte darüber, was wirklich zählt.“ Und die Deutschen selbst? Die träumen ohnehin eher von unspektakulärem, wie eine Studie des GfK-Vereins vor wenigen Wochen ergab. Ihre Wünsche für ein glückliches Leben: Gesundheit, Freunde, materielle Absicherung.