
Wären Landtagswahlen ein Schönheitswettbewerb, Bremen hätte den Platz als das hässliche Entlein sicher. Der winzige Stadtstaat belegt in Deutschland nicht nur einen traurigen Spitzenplatz bei Schulden, Arbeitslosigkeit und sozialer Spaltung – er ist auch Spitzenreiter in der Vorhersehbarkeit der politischen Verhältnisse. Bremen ist fest in sozialdemokratischer Hand, seit dem 2. Weltkrieg hat die SPD alle Bürgermeister gestellt.
Diese Verhältnisse erlebten auch an diesem Wahlsonntag höchstens eine kleine Erschütterung, kein Erdbeben. Ministerpräsident Jens Böhrnsen hat zwar massiv Stimmen eingebüßt, aber er wird seine Koalition mit den Grünen vermutlich fortsetzen können. Bundespolitisch dürfte dies wenig ändern. Der werte Herr Ministerpräsident ist im Rest der Republik so unauffällig, dass Böhrnsen bislang nur Schlagzeilen machte, als er nach dem Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler die Amtsgeschäfte im Bellevue führte.





Die Grünen mussten ebenfalls Einbußen hinnehmen, doch vor vier Jahren hatte ihnen das Reaktorunglück in Fukushima auch unerwartete Wahlkampfhilfe beschert. Aus ihrem Abschneiden lässt sich schwerlich ein Trend ablesen. Und die Christdemokraten legten zwar leicht zu, hatten die linke Hochburg von Anfang an verloren gegeben, sie fanden nicht einmal eine vorzeigbare Spitzenkandidatin.
Die Koalition in Berlin wird sich am Montag nicht über die Ergebnislisten aus Bremen beugen, sondern eher weiter über NSA-Listen diskutieren – und die Frage, ob SPD-Chef Sigmar Gabriel die Traute hat, den Bundestagswahlkampf 2017 offiziell einzuläuten (der spätestens mit den ungleich wichtigeren Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt im März 2016 einen ersten Höhepunkt erleben wird).
Dennoch lohnt sich ein näheres Hinsehen auf die Bremer Abstimmung. Schließlich hat die FDP den Sprung zurück in den Landtag geschafft. Für die Liberalen ist das nach dem Comeback in Hamburg ein zweiter Erfolg – der noch schwerer wiegt, weil das Milieu im wirtschaftsschwachen Bremen für sie ungleich schwieriger war.