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Bürgerschaftswahlen Quittung für Rot-Grün

In Bremen konnte man sich bei Wahlen auf eins verlassen: Die Sozialdemokraten siegen. Das haben sie auch diesmal getan, obwohl sie eine Quittung für jahrelange Misswirtschaft erhielten.

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Jens Böhrnsen Karoline Linnert und Lencke Steiner

Wären Landtagswahlen ein Schönheitswettbewerb, Bremen hätte den Platz als das hässliche Entlein sicher. Der winzige Stadtstaat belegt in Deutschland nicht nur einen traurigen Spitzenplatz bei Schulden, Arbeitslosigkeit und sozialer Spaltung – er ist auch Spitzenreiter in der Vorhersehbarkeit der politischen Verhältnisse. Bremen ist fest in sozialdemokratischer Hand, seit dem 2. Weltkrieg hat die SPD alle Bürgermeister gestellt.

Diese Verhältnisse erlebten auch an diesem Wahlsonntag höchstens eine kleine Erschütterung, kein Erdbeben. Ministerpräsident Jens Böhrnsen hat zwar massiv Stimmen eingebüßt, aber er wird seine Koalition mit den Grünen vermutlich fortsetzen können. Bundespolitisch dürfte dies wenig ändern. Der werte Herr Ministerpräsident ist im Rest der Republik so unauffällig, dass Böhrnsen bislang nur Schlagzeilen machte, als er nach dem Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler die Amtsgeschäfte im Bellevue führte.

Die FDP feiert, SPD und Grüne schmollen
Wahllokal in Bremen Quelle: dpa
Lencke Steiner, Spitzenkandidatin der Bremer FDP, jubelt bei der Wahlparty der FDP über ihr Ergebnis in der Bürgerschaftswahl in Bremen. Nach der ersten Hochrechnung werden die Freien Demokraten nach vierjähriger Abstinenz wieder in die Bremische Bürgerschaft einziehen. Nach ersten Prognosen kommt die FDP auf 6,5 Prozent. Quelle: dpa
Weniger Grund zur Freude hat Karoline Linnert (r, Grüne). Nach Bekanntgabe der vorläufigen Wahlergebnisse kommen die Grünen nur auf 14,5 Prozent der Stimmen und damit auf 13 Sitze. Mit den 30 Sitzen der SPD könnte es nach wie vor eine sehr knappe Mehrheit geben – dafür braucht es 42 Sitze. Quelle: dpa
Auch die Besucher der Wahlparty der SPD hatten wenig Grund zur Freude. Die SPD hat 33 Prozent erreicht und damit massiv eingebüßt. Trotzdem dürfte es weiter für die rot-grüne Mehrheit reichen – auch wenn CDU-Mitglieder das anzweifeln. Fest steht allerdings: Die SPD hat das schlechteste Ergebnis seit 1945 in Bremen eingefahren. Quelle: dpa
Fest steht allerdings auch: Die SPD hat das schlechteste Ergebnis seit 1945 in Bremen eingefahren. Entsprechend schockiert schauen die Mitglieder. Quelle: dpa
Dementsprechend spricht auch SPD-Spitzenmann Jens Böhrnsen von einer "bitteren" Wahl. "Wir hatten schon schönere Wahlabende", sagt er. "Es sind heftige Verluste, die uns eine Aufforderung bringen: Genau zu fragen, woran hat es gelegen." Quelle: REUTERS
Der Kandidat der Alternative für Deutschland (AfD), Piet Leidreiter, hat dagegen Grund zu feiern: Laut ersten Prognosen kommt die AfD auf 5,2 Prozent und zieht damit in die Bürgerschaft ein. Quelle: dpa

Die Grünen mussten ebenfalls Einbußen hinnehmen, doch vor vier Jahren hatte ihnen das Reaktorunglück in Fukushima auch unerwartete Wahlkampfhilfe beschert. Aus ihrem Abschneiden lässt sich schwerlich ein Trend ablesen. Und die Christdemokraten legten zwar leicht zu, hatten die linke Hochburg von Anfang an verloren gegeben, sie fanden nicht einmal eine vorzeigbare Spitzenkandidatin.

Die Koalition in Berlin wird sich am Montag nicht über die Ergebnislisten aus Bremen beugen, sondern eher weiter über NSA-Listen diskutieren – und die Frage, ob SPD-Chef Sigmar Gabriel die Traute hat, den Bundestagswahlkampf 2017 offiziell einzuläuten (der spätestens mit den ungleich wichtigeren Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt im März 2016 einen ersten Höhepunkt erleben wird).

Dennoch lohnt sich ein näheres Hinsehen auf die Bremer Abstimmung. Schließlich hat die FDP den Sprung zurück in den Landtag geschafft. Für die Liberalen ist das nach dem Comeback in Hamburg ein zweiter Erfolg – der noch schwerer wiegt, weil das Milieu im wirtschaftsschwachen Bremen für sie ungleich schwieriger war.

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