Private Versicherer rühren die Werbetrommel für die schwarz-gelbe Regierung. Käme Rot-Grün an die Macht, müssten sie nämlich um ihre Existenz bangen. So wollen beispielsweise die Grünen eine Bürgerversicherung, in der alle Bürger krankenversichert sind. Alle Anbieter müssten jeden ohne Gesundheitscheck aufnehmen. Bereits Privatversicherte bekämen dann zwar Bestandsschutz, neue Kunden könnten die Privaten aber vergessen. Auch das Modell der SPD würde der PKV schaden.
Deshalb hat sich die Versicherung Barmenia in einem Rundschreiben an ihre Kunden gewandt: "Mit dieser Bürgerversicherung würde das heute gut funktionierende System mit gesetzlichen Krankenkassen und privater Krankenversicherung zerschlagen", heißt es in dem Schreiben. Auch auf ihrer Website macht die Versicherung gegen die Pläne von SPD und Grünen Stimmung: "Freie Arzt- und Krankenhauswahl, ein flächendeckendes medizinisches Versorgungsnetz mit kurzen Wartezeiten für alle Menschen verdanken wir im Wesentlichen dem dualen System aus Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung. Doch nun wollen einige Parteien unter dem wohlklingenden Namen „Bürgerversicherung“ auch in Deutschland eine Einheits-Krankenversicherung einführen." Die Folgen der rot-grünen "Zwangsversicherung" wären weniger Wettbewerb, weniger Selbstbestimmung und ein eingeschränkter Leistungskatalog für alle.
Wie Ärzte und Bürger das Gesundheitssystem bewerten
Die Studie zur Lage des Gesundheitswesens hat das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Finanz- und Vermögensberaters MLP erstellt. Für die diesjährige repräsentative Untersuchung führte Allensbach Interviews mit 512 Ärzten sowie 2100 Bürgern zu mehr als 80 Einzelfragen. Die Gespräche fanden im Oktober und November 2012 statt.
Quelle: MLP Gesundheitsreport 2012/2013 vom 23.1.2013
Das Gesundheitssystem und die Gesundheitsversorgung in Deutschland sind
laut Bevölkerung
gut oder sehr gut: 82 Prozent
weniger gut oder gar nicht gut: 16 Prozent
laut Ärzten
gut oder sehr gut: 93 Prozent
weniger gut oder gar nicht gut: 7 Prozent
Die Qualität der Gesundheitsversorgung hat sich in den letzten zwei, drei Jahren
laut Bevölkerung
verbessert: 9 Prozent
kaum verändert: 46 Prozent
verschlechtert: 39 Prozent
laut Ärzten
verbessert: 12 Prozent
kaum verändert: 45 Prozent
verschlechtert: 40 Prozent
Differenz zu 100 Prozent: unentschlossen
Es haben von der Gesundheitspolitik der Bundesregierung
keinen guten Eindruck: Bevölkerung: 42 Prozent; Ärzte: 71 Prozent
einen guten Eindruck: Bevölkerung 26 Prozent; Ärzte: 18 Prozent
Frage: Muss unser Gesundheitssystem umfassend reformiert werden oder ist das nicht notwendig?
Muss umfassend reformiert werden: 73 Prozent der Ärzte, 47 Prozent der Bevölkerung
Ist nicht notwendig: 24 Prozent der Ärzte, 27 Prozent der Bevölkerung
Frage an die Ärzte:
Was erwarten Sie: Wird es nach der nächsten Bundestagswahl zu grundlegenden Reformen im Gesundheitswesen kommen oder glauben Sie das nicht?
Erwarte grundlegende Reformen: 4 Prozent
Erwarte das nicht: 90 Prozent
Gefragt, was zur Sicherstellung einer leistungsfähigen Gesundheitsversorgung notwendig wäre, nannten die Ärzte am häufigsten (Mehrfachnennungen möglich):
Bürokratieabbau, Einsparungen bei Verwaltungskosten, Umbau und Vereinfachung der Kassenlandschaft (31 Prozent der Befragten)
Änderung und gerechtere Gestaltung des Honorar- und Vergütungssystems (15 Prozent)
Bessere Information der Patienten, um Eigenverantwortung und Kostenbewusstsein zu stärken (12 Prozent)
Wofür plädieren Sie? Angesichts der derzeitigen Überschüsse der gesetzlichen Krankenkassen sollte man
Rücklagen bilden: Bevölkerung 38 Prozent; Ärzte 59 Prozent
Beiträge zurückerstatten: Bevölkerung 37 Prozent; Ärzte: 17 Prozent
Beiträge generell senken: Bevölkerung 34 Prozent; Ärzte 36 Prozent
Zusatzleistungen anbieten: Bevölkerung: 23 Prozent; Ärzte 27 Prozent
Sollten die Krankenkassen die Beitragssätze wieder individuell festlegen?
Dafür: 39 Prozent
Dagegen: 49 Prozent
Unentschieden: 12 Prozent
Sollten auch Beamte, Selbständige und gut verdienende Angestellte in die gesetzliche Krankenversicherung?
56 Prozent der Befragten sagen ja. 33 Prozent sind gegen einen Versicherungszwang in der gesetzlichen Krankenkasse.
Barmenia-Chef Andreas Eurich zählt zur Veranschaulichung Negativbeispiele aus den Nachbarländer auf: "Briten warten bis zu 18 Wochen auf einen Facharzttermin, die Niederländer bis zu einem Jahr auf eine Operation, und wer in Schweden eine Hüftoperation erhält oder nicht, entscheidet die Provinzverwaltung."
Die Barmenia argumentiert weiter, dass die Bürgerversicherung
- als Einheitssystem der medizinisch erstklassigen Versorgung aller Bürgerinnen und Bürger schade
- Mehrkosten für jeden Beitragszahler bringe
- die Mittelschicht besonders hart treffe
Am Ende des Schreibens, das die Versicherten eine Woche vor der Bundestagswahl erreichte, hieß es: "Die Bürger(zwangs)versicherung führt also zur echten Zwei-Klassen-Medizin! Wollen Sie das?" Gegenüber Spiegel Online rechtfertigte die Versicherung sich damit, dass man die Kunden wohl fragen dürfe, ob sie wissen, welche Konsequenzen eine rot-grüne Regierung für die medizinische Versorgung habe. Schließlich habe man nicht dazu aufgerufen, FDP oder CDU zu wählen.